Kapitel X: Operation Pfund weg

 

 

Solltet ihr auch etwas dicker oder gar fett sein, so kann ich euch nur den Rat geben es mit dem Abnehmen einmal zu versuchen. Wenn man den Willen hat abzunehmen, dann schafft man es auch, das dürft ihr mir glauben. Damals Anfang April hatte ich 77 kg Lebendgewicht bei einer Große von 172 cm. Auf gut deutsch ich war zu fett. Ich wollte unbedingt mit der Sieglinde gehen. Am Montag hatten wir Tanzkurs, deshalb fing ich erst am Dienstag mit der "Operation Pfund weg" an. Wie ein wahnsinniger freute ich mich auf die Tanzparty am Samstag, denn ich hatte mich mit der Sieglinde für Samstag verabredet. Schon zwei Stunden vorher überlegte ich, was ich anziehen sollte. Letztendlich entschied ich mich für ein weißes Hemd mit einer schwarzen Hose. Ich war sogar beim Friseur. Um vier Uhr hieß es dann auf zur Tanzparty, obwohl erst um fünf Uhr die Tanzparty begann. Ich kam überpünktlich. Um fünf saß ich dann in der Nähe meiner neuen Tanzpartnerin. Allerdings war ich so nervös, daß ich mich nicht traute, sie zum tanzen aufzufordern obwohl sie meine Tanzpartnerin war. Kann man sich das vorstellen? So viel Schiß nur um ein Mädchen aufzufordern. Es verging eine halbe Stunde, es verging eine dreiviertel Stunde und ich traute mich noch immer nicht. Also tat ich das, was ich sonst auch immer tat, wenn ich nervös war. Ich ging auf die Toilette. Auf dem Rückweg kam mir meine Tanzlehrerin entgegen. Mit einem kalten Lächeln fragte sie mich: "Herr Heckl, sie machen doch mit der Sieglinde Tanzkurs, oder?". "Ja, ich denke schon.". "Nun Herr Heckl, die Sache ist folgende, ich habe die Sieglinde schon jemand anderem zugeteilt, noch bevor ich wußte, daß sie mit ihr Tanzkurs machen.". Ich erkannte natürlich sofort die höfliche Aufforderung mir gefälligst eine neue Tanzpartnerin zu suchen. Vorsichtig fragte ich: "Soll ich mir vielleicht eine neue Tanzpartnerin suchen?". "Ja, Herr Heckl, wäre nicht schlecht, aber wir lassen die Sieglinde entscheiden mit wem sie Tanzkurs macht." Zu meiner übergroßen Freude war der komische andere Typ auch auf der Tanzparty. Er war größer als ich, schlank und konnte anscheinend besser tanzen. Nach einer weiteren halben Stunde des Wartens und fünf Tänzen mit dem "komischen Heini" kam dann die Sieglinde auf mich zu: "Harry, ich mach’ jetzt mit ihm Tanzkurs, Du bist mir doch nicht böse, oder?". Ich kam leider nicht mehr dazu zu Antworten, denn so schnell wie sie gekommen war, war sie auch schon wieder verschwunden. Ein weiterer toller Erfolg auf meinem Weg ins Grab, wie ich danach deprimiert war brauche ich wohl nicht zu erwähnent. Ich versank mal wieder in Selbstmitleid. Was kann ich schon dafür, ich bin halt nunmal kein Weiberheld. Ich war dick, trug eine Brille, konnte nicht tanzen, war schlecht in der Schule, meine Gesichtszüge ließen zu wünschen übrig... . Diese Liste ließ sich fast unendlich weiterführen. So gegen halb sieben hatte ich genug von dieser "ach so tollen" Tanzerei. Mit geknicktem Selbstvertrauen, ich kann mich nicht erinnern je ein intaktes Selbstvertrauen gehabt zu haben, fuhr ich mit meinem Fahrrad zur Konkurrenz. Was heißt zur Konkurrenz? Ich fuhr zu einer anderen Tanzschule wo an diesem Abend auch Tanzparty war. Dort war eine große Anzahl von meinen Freunden versammelt. Sie gehen am Samstag meistens in eine andere Tanzschule bei uns, da dort wo wir Kurs machen, am Samstag so viele Leute sind, daß man sich mehr aus dem Weg rammt, wie das man tanzt.

Bei der Konkurrenz angekommen , schauten mich ein paar meiner Freunde mit verblüfftem Gesicht an: " Was machst Du denn hier?". Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Ich erzählte ihnen von meinem tollen Abend, und wie nett mich die Sieglinde doch als Tanzpartner in den Wind geschossen hatte. An diesem Abend konnte mich nichts mehr aufheitern. Deshalb fuhr ich auch schon früh nach Hause. In meinem Bett hätte ich fast das Weinen angefangen, aber irgendwie war ich viel zu sauer für das ewige Gejammere und Gehaeule.

Ich weiß nicht, was ich immer falsch machte bei den Mädchen, es lief immer auf eine Enttäuschung hinaus, einer Niederlage folgte die Nächste. Wißt ihr wie schön es ist, in seinem Bett zu liegen nicht einschlafen zu können und sich mies zu fühlen? Ein paar von euch können sich auf jeden Fall in mich hineinversetzten, und sich vorstellen, wie schön das Leben zu diesem Zeitpunkt doch war.

Am Montag war dann wieder Tanzkurs. Ohne lange zu überlegen schnappte ich mir das nächstbeste Mädchen. Widerwillig und nicht besonders freundlich ließ ich sie durch die Blume hindurch, um nicht zu sagen direkt, wissen, daß ich noch keine Tanzpartnerin für diesen Kurs hatte. Zu meinem großen Erstaunen und zu meiner großen Freude wurde sie, meine neue Partnerin. Nach einiger Zeit fragte ich sie, wie sie mit Nachnahmen heißt, und auf welche Schule sie geht. Merkt euch diesen Namen gut, denn er sollte in meinem weiteren Leben noch eine wichtige Rolle spielen. Sie hieß Daniela, kurz Dani. "Ach, auf´s Reuchlin in die neunte Klasse gehst Du, dann sage ich Dir besser nicht meinen Nachnahmen.". "Wieso? Sag´mir halt deinen Nachnahmen.". Mit einem frechen Grinsen erwiderte ich "Öh, Heckl!". Ihr hättet mal ihr Gesicht sehen sollen. Aus einem fragenden Lächeln wurde ein Blick der zu sagen schien: "Nein, das darf nicht wahr sein.". Ich kann mir nur einen Grund für diesen komisch-lustigen Gesichtausdruck vorstellen. Mein Vater war ihr Erkunde und Wirtschaftslehrer dieses Jahr. Ich glaube sie hätte am liebsten mit jemanden Anderem Tanzkurs gemacht, als sie erfuhr, daß ich der Sohn ihres Erkundelehrers war. Schade das wir zwei die letzten beiden waren die noch keinen Tanzpartner hatten. Das Gesicht meines Vaters hättet ihr sehen sollen, er schien auch nicht begeistert davon zu sein, daß ich mit einer seiner Schülerinnen Tanzkurs machte. Ich erfuhr auch erst zu Hause, daß es mit der Dani und ihrer Banknachbarin Ärger wegen einer Ausfragenote gegeben hatte. So schön wie die Welt damals war, war sie schon lange nicht mehr. Tanzkurs mit einer Schülerin meines Vaters, echt eine lustige Sache.

Übrigens, meine Abnehmaktion schien Früchte zu tragen. Ich sollte besser sagen Pfunde zu verlieren, denn ich nahm durchschnittlich ein Kilo in der Woche ab. An meinem Trauerabend hatte der Flo mir noch Mut gemacht. Er meinte zu der Sache mit der Sieglinde nur: " Wer weiß wozu es gut ist.". Ich muß zugeben er hatte recht, allerdings konnte ich damals noch nicht wissen warum es gut sein sollte. In den Sommerferien wußte ich dann sehr wohl für was es gut gewesen war.

Zwischen Ostern und Pfingsten hatte ich beim Flo viel Nachhilfe. Es war fast ein Wunder, daß die Nachhilfe fruchtete. Meine Noten wurden allmählich besser, mein Selbstvertrauen in Sachen Schule kletterte aus dem Keller. Eines schönen Tages schien es mein Mathelehrer gerade zu auf einen Streit anzulegen. Da traf er an diesem Tag aber genau auf den Richtigen, auf den Klassensprecher der 10a, auf mich. Er hatte ein paar Tage zuvor eine sehr schwere Ex mit einem schlechten Durchschnitt geschrieben. Als er dann die Ex herausgegeben hatte, tat er so als sei er ein Unschuldslamm. Seiner Meinung nach waren wir selbst Schuld an unseren schlechten Noten. An dieser Stelle platzte mir der Kragen. Dank meinem aufbrausendem Temperament, das ich von meinem Vater habe, legte ich mich mit ihm an. Ihr hättet mich miterleben sollen, ich lief zu Höchstform auf. Ich habe mich selten so in Rage gesehen. Ich konnte ihm jedes Argument widerlegen. Ich schaffte es sogar in soweit zu bringen, daß er nicht mehr wußte was er sagen sollte. Mir kamen so viele gute Argumente, daß er mir beleidigt zu schien sein. Vielleicht hätte ich doch nicht so aufdrehen sollen, denn nach einer guten halben Stunde des Streits verließ er den Raum. Ihr könnt es mir glauben oder nicht, er ging wirklich. Leider hatten wir ihn in der sechsten Stunde noch einmal in Wirtschaft statt in Mathe. Zur Strafe, sozusagen, schrieb er eine Ex auf die keiner vorbereitet war, da er erst letzte Woche eine geschrieben hatte. Er gab uns die alte Ex zurück und schrieb gleich im Anschluß daran die Nächste. Der Durchschnitt war wieder nicht sehr gut, aber ich hatte eine drei. Ich finde er hätte mir auch eine zwei geben können, da ich wegen einem halben Punkt eine drei bekam. Ich schätze das liegt an unserem Krach. Was heißt Krach, ich habe ihm nur meine Meinung gesagt was ich von seinen pädagogischen Fähigkeiten halte. Dies schien er nicht zu verkraften. Ich habe festgestellt, daß Lehrer keinen Widerspruch bzw. Kritik vertragen.

Insofern wäre mein ehemaliger Freund Florian der geborene Lehrer, er verträgt nämlich auch keine Kritik- er ist eben Gott und kann alles. Mittlerweile ist er ein ehemaliger Freund, er ist sich sogar zu fein dafür mich am Gang in der Schule zu grüßen. Schade, aber fast jeder Mensch ist durch einen anderen zu ersetzten, auch er. Er braucht nicht meinen, daß er mein einziger Freund ist, ich habe noch genug andere Freunde.

Es war mal wieder Samstag. Ein paar Tage zuvor hatte der Flo eine Verena kennengelernt, die ich schon schon von der Silvesterparty beim Dennis kannte.

Apropos Dennis. Es gibt da eine lustige Geschichte die ich euch noch gar nicht erzählt habe. Eines Morgenskam ich in die Schule und der Dennis schien irgendwie so happy zu sein. Zum Stundenwechsel drehte ich mich zum ihm um und fragte nur so zum Spaß: " So Dennis alter Ficker, wie geht´s Dir denn?". "Äh, wie hast Du denn das "alter Ficker" gemeint?". Ohne groß darüber nachzudenken gab ich ihm zur Antwort: "Na so wie ich es gesagt habe." Worauf er mit einem helmischen Grinsen zu mir sagte: "Hat der Michi wieder getratscht?". Daraufhin ich: "Nee, aber Du hast Dich gerade verraten.". So ein Schlawiner. Hatte er doch tatsächlich mit seiner Freundin geschlafen. Meinereiner hatte noch nicht einmal eine Freundin und Andere haben mit ihren Freundinnen etwas mehr als nur Küssen am Hut.

Wie schon erwähnt war es also Samstag. In den Tagen zuvor hörte ich vom Flo nur noch wie toll diese Verena war, und wie gut sie ihm gefiel. Da der Flo und die Verena zu dieser Zeit keine Freundin hatten war es nur noch eine Frage der Zeit bis die zwei zusammenkommen würden. Diese Frage der Zeit schien heute eine Antwort zu finden. Der Florian holte die Verena mit dem Auto ab, er war inzwischen 18 und hatte einen Führerschein.

Zu Beginn des Abends sah es im ersten Moment gar nicht so aus, als würde die ganze Sache hinhauen. Gemein wie wir halt mal sind meldeten wir den Flo zum Geburtstagswalzer an. Dreimal dürft ihr raten mit wem er tanzen durfte: mit der Verena. Danach war die ganze Sache sowieso klar. Wir hatten ein neues Pärchen. Ich sah der ganzen Sache mit gemischten Gefühlen entgegen. Nicht daß ich eifersüchtig gewesen wäre, nein, aber ich wußte was jetzt kam. Jetzt kam nur noch ein Thema vom Flo. Verena hier, Verena da Verena hopsassa. Keine Zeit mehr für die alten Freunde, nur noch Zeit für die Freundin. Leider stellte sich noch ein anderer Effekt bei ihm ein. Seine erste richtige Freundin schien ihm zu Kopf zu steigen. Ich weiß auch nicht warum aber er setzte zu einem Höhenflug an von dem er heute noch nicht gelandet ist. Zuerst dachte ich es wäre die Verena gewesen die ihn so verändert hatte, doch heute denke ich über die ganze Sache anders. Es war anscheinend sein Ego, das ihn auf eine höhere Stufe stellte als den "gemeinen Pöbel", wie ich es war. Er ist für mich mittlerweile nur noch eine Witzfigur. Es gibt an unserer Schule 1200 Schüler, aber er ist der einzige der mit einem Mantel und einem Hemd in die Schule geht. Nicht irgendein Hemd, nein, schon etwas elegantes, nichts was seine Untergebenen anziehen würden. Seine Freundin schien ihm in den Kopf gestiegen zu sein. Er hielt sich für was besseres, weil er eine Freundin hatte und ich keine. Ich fand an dieser Verena nicht besonders viel, zumindest damals noch nicht. Heute verhält es sich ein wenig anders, aber nur ein wenig. Kleiner "Insider". Es kam, wie ich es mir vorgestellt hatte, er verbrachte die meiste Zeit mit ihr. Irgendwie kam ich mir vor wie ein Aussätziger. Der Dennis verbrachte ebenfals die meiste Zeit bei seiner Freundin, und der Heckl verbrachte die meiste Zeit bei seiner Computerfreundin. Diese Freundin hatte auch Schlitze fast wie ein Mädchen, Laufwerksschlitze nämlich. Echt toll, wenn die anderen Pärchentreffen veranstalten und ihren Spaß haben und man Zuhause, oder bei einem Freund sitzt und Computer spielt. Nichts gegen Computerspielen es macht mir auch großen Spaß, aber eine Freundin ist halt doch schöner. Der Hauptvorteil einer Freundin besteht darin, daß sie im Bett nicht so hart und eckig ist wie ein Computergehäuse. Eines Tages rief der Flo bei mir an und ich war gerade äußerst schlecht drauf. Ich hatte gerade einer meiner depressiven Singlephasen. Ich wollte einfach meine Ruhe von dieser echt schönen Welt. Zu meiner Freude kam dann der Flo doch noch vorbei, obwohl er bei seinem Mädel war, und baute mich wieder auf. Dieser Effekt hielt allerdings nicht lange an. Am nächsten Tag war die Welt wieder genau so toll für mich, wie am Vorabend. Mir schien irgendwas zu fehlen und ich wußte genau was es war. Ich war auf der Suche nach einem Mädchen die mich mochte, und die mir gut gefiel. Ziemlich viel verlangt: gut aussehen und mich mögen. Also woher nehmen und nicht stehlen. Alle Mädchen aus meinem Freundeskreis wollten entweder nichts von mir, oder hatten bereits einen Freund. Ein Mädchen einfach so kennenzulernen war schier unmöglich. Ich deprimierte so vor mich hin und wußte nicht mehr was ich machen sollte. Hatte ich nicht genug getan? Ich hatte 14 Kilo abgenommen, meine Haare länger wachsen lassen und versucht mich in Gegenwart von Mädchen ordentlicher zu benehmen. All dies schien mir nicht den gewünschten Erfolg zu bringen. Ich schwor mir damals: " Wenn ich bis zur Mitte der Sommerferien keine Freundin finden sollte, dann fange ich wieder mit dem Essen an und zwar solange bis ich 80 Kilo habe." Ich stellte es mir so schön vor, die Sommerferien mit meiner eigenen Freundin zusammen zu verbringen. Auf den letzten Schultag vor den Sommerferien, freute ich mich schon ein paar Wochen vorher. Ich wurde von der Steffi auf ihre Geburtstagsparty eingeladen. Es war die erste Einladung von einem Mädchen zu einer Geburtstagsparty seit der zweiten Klasse. Es war toll, nach acht Jahren der Abstinenz, wieder an einer Geburtstagsparty von einem Mädchen teilzunehmen. Am letzten Schultag kam ein Teil unserer Klasse dreckig und noch halb besoffen von unserer Klassenparty in den Unterricht. Ursprünglich wollte unsere Englischlehrerin eine Lektüre lesen, aber aus mir schier unverständlichen Gründen ließ sie es sein. Muß wohl doch an den Schnapsleichen gelegen haben. In der zweiten Stunde gab es dann unsere Zeugnisse. Ich hatte zwar einen Fünfer, aber der war mir egal, weil ich keinen zweiten hatte. Danach gingen wir ins Café Melange, wo der Flo, der Basti und ich sogar den Dennis und seine neue Freundin, rein Zufällig vertseht sich, trafen. Gegen Mittag verabschiedeten wir uns von einander. Es war ein großartiges Gefühl die zehnte Klasse bestanden zu haben und den ersten Schulabschluß zu haben. Aber das schönste an diesem Tag war, daß die heißersehnten Sommerferien endlich begonnen hatten...

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