Kapitel XIII: Na na kiss him goodbye

 

 

Ein gutes Lied, einige von euch werden es sicherlich kennen, den übrigen sei gesagt, daß sie es vielleicht nicht vom Titel her kennen, aber höchstwahrscheinlich von der Melodie her.

Habt ihr nicht auch manchmal den Wunsch bestimmte Sachen in euren Leben nachträglich auszubessern, oder so zu tun als wären sie nie geschehen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mit höchster Wahrscheinlichkeit diesen "schwarzen Samstag" aus meinem Gedächtnis streichen, nicht aber... obwohl, wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, daß ich immer einen Wunsch frei habe. Dieser Tag begann ganz normal, wie ich es als Jungfrau geplant hatte: ich stand in der Früh auf, machte mich frei von allen Gedanken an die Schule und der Lernerei, schnappte mir mein Fahrrad, Geld von meiner Mutter und radelte in die Stadt. In der Stadt kaufte ich mir hundert Disketten und ein Quatschhoroskop über die Jungfrau, worin meine Eigenschaften beschrieben wahren. Soein Buch hatte ich schon einmal, aber ich fand es nicht mehr, als es die Karin sehen wollte, weshalb ich ein neues kaufte (das Gleiche) um es meiner Karin zu geben. In diesem Buch sind meine Gewohnheiten sehr genau beschrieben.

Ob die Schreiber dieses Horoskops mich wohl gekannt haben? Da stand irgendwas von einer Technikmacke und von der Liebe zum Pc. Sie trafen mit ihren Behauptungen voll ins Schwarze. Sie schreiben sogar, wie gut doch die Jungfrau zum Stier paßt. Sie schienen damit recht zu haben, denn die Karin war Stier, wenn auch nicht nur vom Sternzeichen her. Nach einer guten Fertigpizza, machte ich mich daran, meine neuen Disketten zu formatieren, alle einzeln versteht sich. Ich hätte natürlich mit unserem zweiten Computer auch einen Teil der Disketten formatieren können, aber statt dessen machte ich es mir in meinem Stuhl bequem und formatierte so gute drei Stunden vor mich hin als mich das Telefon von der Prozentanzeige am Monitor weglockte. Es war die Karin, die mir berichtete, daß sie von ihrem Ausfug schon zurück sei, und daß sie von Anfang an auf die Tanzparty kommen kann. Ich freute mich natürlich schon darauf, vor allem weil die Dani auch kommen wollte. Um fünf Uhr saß ich in der Tanzschule und wartete auf die Karin und die Dani. Gott sei Dank ließen sie mich nur eine halbe Stunde warten. Allerdings geschah in dieser halben Stunde einiges, was den späteren Verlauf des Abends eine charakteristische Note verpassen sollte. Der Stefan war noch nicht da, aber dafür seine Freundin. Am Vortag hatte er von ihr einen Liebesbrief bekommen, den niemand lesen durfte. Gut, daß ich in Physik neben ihm sitze, sonst hätte ich wohl nie den Inhalt dieses Briefes gelesen. Ich bin halt nunmal ein neugieriger Mensch und so konnte ich es mir nicht verkneifen, ebenfalls den Brief zu lesen, als er ihn gerade auseinander faltete und auch zu lesen begann. "Wenn Du eine Träne wärst, dann würde ich nie mehr weinen aus Angst Dich zu verlieren.". Ein herzzerreißender Liebesbrief, so einen würde ich auch gerne einmal bekommen, aber man kann nicht alles haben.

Was hab’ ich eigentlich?

Egal, auf jeden Fall konnte ich es mir nicht verkneifen Stefans Freundin daraufhin blöd anzureden. "Hee, Du brauchst keine Angst haben, der Stefan ist keine Träne!". Der vernichtende Blick ließ mich erkennen, daß sie über diesen Spruch nicht allzu begeistert war. Mir war egal, was sie von mir dachte, aber wenn sie nun dem Stefan beleidigt war, wäre es meine Schuld gewesen, auch wenn er mir den Brief gar nicht gezeigt hatte, zumindest nicht absichtlich. Zum Glück erwischte ich den Stefan noch bevor ihn seine Freundin in die Mangel nehmen konnte, deshalb konnte ich ihn schon seelisch darauf vorbereiten und ihm die Sache erklären. Kurz darauf kamen dann die beiden Damen auf die ich schon gewartet hatte. Kurz nach sechs viel mir dann ein gewisser Didi auf, der mein Mädchen anbaggerte und der sogar mit ihr einen Slow-Fox tanzte. Am liebsten hätte ich ihn gepackt und auseinander genommen, aber ich blieb so ruhig es ging. Könnt ihr euch das vorstellen, da tanzt irgendein wildfremder Junge mit meiner Freundin einen Tanz, auf den ich schon seit mehreren Wochen warten mußte. Ich setzte mich zum Michi und sagte: "Heute liegt etwas ganz großes komisches in der Luft!". "Wegen dem Stefan meinst Du?". "Ja, auch, aber nicht nur wegen dem. Ich hab’ einfach das komische Gefühl, daß heute noch was schlimmes passiert.". Um die nächsten vernichtenden Schritte zu erklären, muß ich wieder ein wenig weiter ausholen, aber keine Angst, nicht bis zum Anfang.

Es war gute drei Wochen her als der Roman und die Dani zusammengekommen waren. Ich wollte, daß der Flo bei der Verena bleibt, und die Dani den Roman bekommt. Aus diesem Grund hatte ich der Dani erzählt, daß der Flo sie nur "warmhalten" wollte. Ich weiß, ich habe euch das schon erzählt, aber es ist eben von so bedeutender Wichtigkeit, daß ich es zweimal erzählen muß. Ich habe sie nicht angelogen, denn der Flo hatte es wirklich gesagt, außerdem hat er sich auch so verhalten. Er hat ihr Physiknachhilfe gegeben, hat sie in der Pause besucht und mit ihr desöfteren telefoniert. Nun gut, die Dani ist daraufhin mit dem Roman auf’s Volksfest gegangen und damit war die Sache sowieso klar. Nichts böses ahnend ging ich zum Flo und quasselte mit ihm über Gott und die Welt. Auf einmal kam die Dani angesaust und ehe ich wußte was überhaupt los war hörte ich sie sagen: "Danke Flo, denn im warmhalten bist Du ja sehr gut.". Seine Blick hättet ihr sehen sollen, vor allem sein Verhalten gegenüber mir. Seinem Blick zu urteilen wollte er sich an mir, wegen dieses Vertrauensbruches, rächen. Ich hatte Angst, er könnte zur Karin und ihr sagen, daß er weiß, was an der 1000jährigen Eiche passiert ist. Ich tat damals etwas, wovon ich fand, daß es das einzig Richtige gewesen war. Ich schnappte mir die Karin, schleppte sie nach draußen und erzählte ihr, daß ich dem Flo damals erzählt hatte, was zwischen uns gelaufen war. Sie reagierte genau wie ich es nicht gehofft hatte, sie war beleidigt. Ach, immer diese Untertreibungen. Ich wußte, daß ich ihr weh getan hatte, ich hatte es ihr versprochen, aber wie man halt ist, muß man natürlich vor seinen Freunden möglichst gut dastehen. Also übertreibt man, verdreht alles das es doppelt so gut klingt, und hofft, daß es die Freundin nie erfährt. Es tat mir leid, ich meine richtig leid, es kam soweit, daß ich vor ihr das Weinen anfing. Anscheinend tat ich ihr zumindest ein bißchen leid. Sie packt meinen Arm und sagte: "Hee, ist schon O.K. Komm morgen Früh zu mir, so gegen zehn.". Das sie mich an diesem Abend nicht mehr sehen wollte war klar, aber wohin sollte ich denn? Nach Hause und dann den Fragen meiner Eltern ausgesetzt zu sein, wieso ich schon wieder zurück sei, und warum ich ein verheultes Gesicht habe? Unmöglich nach Hause konnte ich also nicht. Ich beschloß, mich auf eine Parkbank zu setzten und dort erst einmal wieder einigermaßen normal zu werden, denn ich heulte immer noch. In Wirklichkeit war ich ganz wo anders als im Park, aber das ist im Moment bedeutungslos. "Angeklagter, wo waren sie zwischen 18:50 Uhr und 20:30 Uhr?". Im Park, auf einer Bank, oder vielleicht doch wo anders? Wißt ihr eigentlich wie schnell eineinhalb Stunden vergehen können, wenn man auf einer Bank sitzt und weint? So schlecht wie an diesem Abend habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt. Sicher, in Saalbach habe ich damals auch geweint, aber im Vergleich zu dem was im Moment in mir vorging, waren das alles nur "Kinkerlitzchen". Nachdem ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, nahm ich mein Fahrrad und ging in Richtung Friedrichshofen. Ich wollte zum Puri. Er war im Moment der einzige der wahrscheinlich Zuhause war. Die Anderen waren irgendwo beim Tanzen und hatten ihren Spaß. Auf dem Weg zu ihm lief mir die Verena über den Weg. Ich wunderte mich, wieso sie hier war, denn ich dachte sie wäre auch beim Tanzen. Nach einem kurzen "Hallo" wurde ich aufgeklärt. Sie hatte seit ein paar Tagen einen Krach mit dem Florian. Auch sie klagte mir ihr Leid, genauso wie ich ihr erzählt habe, was mir an diesem Abend passiert war. Dieser Abend war aber bei weitem nicht vorbei, vor allem nicht in puncto "Krach in Beziehungen". Ich begleitete sie in die Stadt, weil sie dort eine Freundin treffen wollte. Ich verabschiedete mich von ihr, weil ich den Sturmi oder sonst einen Bekannten treffen wollte, die sonst am Samstagabend irgendwo in der Stadt sind. Nach einer geschlagenen Stunde gab ich die Hoffnung auf noch irgend jemand zu treffen. Ich wollte gerade nach Hause als mir die Verena zum zweiten mal an diesem Abend über den Weg fuhr. Sie wahr auch nicht glücklicher als noch vor einer Stunde. Sie hatte mit dem Flo Schluß gemacht. Angeblich auf eine nicht sehr sanfte Art und Weise, aber ich habe nie von Seiten Florians erfahren, was an diesem Abend genau passiert war. Sie schaute so traurig, daß ich sie unmöglich alleine nach Hause fahren lassen konnte. Also brachte ich sie Heim. Hee, Leute ihr könnt mir eins glauben: ich werde diesen Abend nie in meinem Leben vergessen. Ich redete noch mit der Verena vor ihrem Haus. Uns ging es beiden nicht besonders gut. Seit diesem Abend hat das Wort "gutgehen" für mich eine ganz besondere Bedeutung. Es ist aus meinem Wortschatz so gut wie verschwunden. Erst jetzt im Moment, über ein eineinhalb Jahre danach, hat das Wort gutgehen auch für mich wieder eine Bedeutung, denn im Moment bin ich in ein neues Mädchen verliebt und es könnte vielleicht was werden, aber wer weiß. In dieser Nacht bekam ich so gut wie keinen Schlaf ab. Erst so gegen drei muß ich eingeschlafen sein. Als ich das nächste mal auf meinen Radiowecker schaute war es kurz vor dreiviertel sechs. Schlafen konnte ich beim besten Willen nicht mehr. Ich dachte nur noch an mein Knuddelbärle und an das was ich in der letzten Zeit alles falsch gemacht hatte. Ich stand auf und erledigte meine Hausaufgaben. Dann war es immerhin doch schon sieben Uhr, als ich meine Eltern das erste mal an diesem Tag zu Gesicht bekam. Ihre blöden Fragen könnt ihr euch natürlich vorstellen: "Warum bist Du denn schon auf.". Meine Ausreden schienen sie mir nicht abzukaufen, also mußte ich Wohl oder Übel mit der Wahrheit herausrücken. Mein Vater hatte für mich zum Glück noch ein paar blöde Sprüche auf Lager. Für seine tollen Ratschläge bedanke ich mich heute noch. Er hat von Frauen auch nicht mehr Ahnung als ich. Wie der Vater so der Sohn, oder der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Mir wäre es lieber gewesen, ich wäre an einem langen Ast gehangen, dann wäre ich weiter vom Stamm entfernt aufgekommen, aber was will man machen. Um acht Uhr hielt mich nichts mehr. Ich nahm meinen Walkman, Geld und mein treues Fahrrad und machte mich gemächlich auf den Weg zum Blumengeschäft am Hauptbahnhof, wo ich drei Rosen für sie kaufte. Rosen sind doch ein Zeichen für die Liebe, zumindest in meinen Augen, aber so Mancheiner oder Mancheine wird das auch anders sehen. Sogar die Frau im Blumenladen fragte mich was ich mitten an einem Sonntagmorgen mit drei Rosen anfangen wollte. "Ich habe was gut zu machen.". "Na dann viel Glück." Ich bezahlte die Blumen und fuhr los in Richtung Gerolfing. Ich ließ mir für den Weg eine ganze Stunde Zeit. Ich hatte viel Zeit um Nachzudenken, was mich wohl in der "Höhle des Löwen" erwarten würde. Zehn Minuten früher als geplant kam ich bei ihr an. Ich setzte mich auf den Randstein und wartete bis es Punkt Zehn Uhr war. Dann ging ich die letzten Meter zu Fuß zu ihrem Haus und drückte den Klingelknopf. Nach einer schier endlosen Wartezeit von 15 Sekunden (ich habe auf den Sekundenzeiger meiner Uhr geschaut) wurde die Tür von der Karin geöffnet. Begrüßt haben wir uns schon, bloß wie halt. Sie holte eine Vase für die Rosen und ich schleppte mich inzwischen in ihr Zimmer. Ich setzte mich auf ihr Bett und wartete bis sie wieder kam. Wer meint es wäre wie in einem Liebesfilm mit einem Happy End ausgegangen, der irrt sich, und zwar, wie auch schon sooft beim Lesen zuvor, gewaltig. Ich versucht das Beste aus meiner Lage zu machen, aber geklappt hat es nicht so recht. Ich versicherte ihr, daß ich sie liebe und das ich nie wieder irgendeinem etwas über uns erzählen würde. Sie glaubte es mir nicht. Ganz ehrlich, ich an ihrer Stelle hätte es mit größter Wahrscheinlichkeit auch nicht. Das bringt mich wieder auf die Aussagen die viele Leute über mich machen. Angeblich kann man es mir nicht glauben, wenn ich etwas sage. Die anderen, ganz besonders Mädchen, meinen immer ich erzähle etwas, das gar nicht stimmt, oder eine Verarschung ist - stimmt aber gar nicht. Oft meine ich es ernst, aber ich scheine ein Talent zu haben immer dann ein unernstes Geschit zu machen, wenn ich es gar nicht brauchen kann.

Eine halbe Stunde später stand ich auf und wollte gehen, weil sie mir irgendwie zu verstehen gab, daß unsere Beziehung damit beendet war. Jetzt kommt die Sache mit dem Liebesfilm (Regieanweisung: Liebeslied ab, Zwiebeln damit die Haupdarstellerin weint und... Action!): sie stand ebenfalls auf, hielt mich fest, denn sie wollte das ich bleibe. Sie fing zu weinen an, ich beinahe auch, aber als Mann muß man in so einer Situation hart bleiben. Kennt ihr den Film "Ghost- Nachricht von Sam". Ich habe nicht geweint.

Mit schweren Schritten ging ich die Treppe hinunter. Sie folgte mir. Ich zog meine Schuhe, öffnete die Haustür, verabschiedete mich von ihr und fuhr los. Kaum war ich um die Kurve gefahren fing ich auch das Weinen an, aber nur kurz, denn dann wurde ich sauer auf mich, dann auf sie. Schlechter kann man sich wohl kaum fühlen, höchstens wenn eine Ehe zu Bruch geht, aber es war doch nur eine Teenagerliebe. Ja, nur. Es gab im Moment nur einen Platz wo ich jetzt hin konnte - zur Verena. Ich nahm mich einigermaßen zusammen als ich läutete. Langsam wurde die Tür von der Verena geöffnet. Überrascht schaute sie mich an und fragte: "Wie ist es denn bei ihr gelaufen?", denn ich hatte ihr erzählt, daß ich am Sonntagmorgen zur Karin fahren sollte. In diesem Moment brachte ich nur noch ein: "Die hat jetzt gerade mit mir Schluß......" heraus, denn ich fing wieder an zu Heulen. Sie bat mich herein und wir gingen in ihr Zimmer. So lange geweint habe ich glaube ich noch nie. Die Verena versuchte mich zu trösten, aber sie hätte auch jemand gebraucht der sie tröstet, denn sie fühlte sich genauso schlecht wie ich. Oh Gott, ich verfluche dieses verdammte Wochenende. Da hat man keine Schule und schon kommt ein noch viel schlimmeres Übel als die Schule, nämlich der Liebeskummer. Lange blieb ich nicht bei der Verena, denn ich mußte noch zum Flo und mich bei ihm entschuldigen. Das er sauer war ist klar. Es war ein Fehler von mir es ihm und auch ihr zu erzählen, selbst wenn ich der Dani und dem Roman nur einen Gefallen tun wollte. So ist es eben in der Welt, man möchte jemanden etwas Gutes tun, aber derjenige weiß es nicht zu schätzen. Ich habe mir fest vorgenommen niemanden mehr etwas Gutes zu tun zu wollen, weil es nur in noch mehr Problemen endet, als man vorher gehabt hat. Der Flo hielt mir erst einmal eine Standpauke gehalten. Nach diesem Gespräch wurde mir klar, daß ich mich in letzter Zeit anscheinend komisch benommen haben muß. Was heißt komisch und in der letzten Zeit? Nach seinen Angaben nicht nur am gestrigen Abend, sondern schon in den letzten Monaten. Ganz ehrlich, mir ist das nicht aufgefallen, trotzdem spielte ich den reuigen Sünder um endlich den Frieden wieder einkehren zu lassen. Für den Abend verabredeten wir uns zur Wahlparty. An diesem Tag waren nämlich Bundestagswahlen in ganz Deutschland.

Als nächstes ging’s auf zum Sturmi. Mit dem hatte ich auch noch einige in Ordnung zu bringen. In letzter Zeit hatte ich zu sehr Florains Meinung und Standpunkte angenommen. Leider mochte er den Sturmi nicht besonders gerne. Für eine Sache bin ich dem Flo so richtig dankbar. Die Sache war die: ich war mit dem Sturmi im Biergarten und seine Freundin war gerade im Urlaub. Sturmi, einer der die Frauen anzieht wie ein Magnet Eisen, saß natürlich nicht lange alleine im Biergarten. Ohne etwas zu tun, trafen wir zufällig ein paar bekannte Mädchen von ihm. Wie könnte es anders sein, setzten sie sich zu uns an den Tisch und der Sturmi fing an ein paar von seinen Klassikern zu erzählen. Die Mädels waren selbstverständlich sofort begeistert von seinen Geschichten. Ein paar Tage später sagte ich zum Flo: "Ach Flo, ich sag’s Dir, der Sturmi, kaum sitzt er im Biergarten kommen von allen Seiten die Mädchen und machen ihm schöne Augen. Seine Freundin soll nur aufpassen auf ihn, nicht das ihm einmal eine Andere vielleicht besser gefällt." Keine drei Tage später ruft bei mir der Sturmi an: " Harry, spinnst Du, erzählst Du, daß ich fremd gehe.". "Was tu’ ich? Nie im Leben.". "Doch, die Steffi hat meiner Freundin erzählt, daß Du gesagt hättest, ich würde fremd gehen.". Meine Reaktion könnt ihr euch natürlich vorstellen. Ich sag "sie soll aufpassen", und weitererzählt wird, er würde fremd gehen. Oh Mann Leute, darf man denn gar nichts mehr sagen, ohne daß es einer in den falschen Hals kriegt, oder es falsch weiter erzählt. Wie gesagt, dafür bin ich ihm dankbar. Beim Sturmi war natürlich auch eine Entschuldigung fällig, die er auch annahm. Nach all diesen Gesprächen ging es wieder zurück nach Hause. Besser wie in der Früh fühlte ich mich trotzdem nicht. Die Lage war hoffnungslos, aber nicht verzweifelt. Solange eine Lage nicht verzweifelt ist, besteht noch eine geringe Chance alles wieder ins rechte Lot zu bringen, aber ihr kennt mich doch, wenn es eine fünfzigprozentige Chance, daß eine Sache klappt, geht sie bei mir hundertprozentig schief. Nicht verzagen, den Loser fragen. Meinen Eltern erzählte ich nicht was an diesem Vormittag alles geschehen war, denn für sowas haben sie kein Verständnis. Da bekomme ich doch bloß einen blöden Spruch von meine Vater, und meine Mutter ist leider auch nicht die geeignete Seelsorge für diese Art von Problemen. Nach dem Mittagessen ging ich zum Tanzen um mich abzulenken. Leider brachte das auch nicht die Erfüllung, aber dafür Leute die sich meine Probleme anhörten, meine Tanzpartnerin die Josefa. Sie hatte gestern mitbekommen was passiert war. Die Stimmung war den Vorkommnissen der letzten vierundzwanzig Stunden, entsprechend locker und gelassen. Alles war lustig, alles lachte und Sorgen hatte sowieso keiner, warum auch, es geht doch nur um ein Mädchen mit dem man den bisher besten Sommer seines Lebens verbracht hat. Sich wegen so einer Lappalie ein halbes Jahr selbst Vorwürfe zu machen wäre echt lächerlich. Hab ich schon erzählt wie lächerlich ich mich im letzten halben Jahr gemacht habe?

Der Tag nahm aber trotzdem noch ein einigermaßen glückliches Ende. Nach der Tanzparty rief mich der Flo. Ich sollte unbedingt die Karin anrufen, denn er hat mit ihr telefoniert und die ganze Sache wieder einigermaßen ins Lot gebracht. Im ersten Moment wollte ich es ihm nicht glauben. Aber ein neugieriger Mensch wie ich nunmal bin, rief ich, wie nicht anders zu erwarten, bei der Karin an. Der Flo hatte wirklich mit ihr telefoniert und sie soweit gebracht, daß sie mir verzieh, zumindest für den Augenblick. Sie machte mit mir aus, mich am Montag zu besuchen, zur Versöhnung sozusagen. Für diese Sache bin ich dem Flo echt dankbar. Ich hielt den Hörer ganz zittrig in der Hand, denn ich wußte, ich hatte mich blöd benommen. Ihr habt keine Vorstellung wie froh ich wahr, als ich den Hörer endlich wieder auf die Gabel legte. Irgendwo war ich sehr erleichtert, auf der anderen Seite war ich auch noch bedrückt. Wie mit dem Flo vorhin vereinbart, machte ich mich auf den Weg zur Wahlparty. Es war ganz schön was los bei uns in Ingolstadt. Wir besuchten sogar den Dennis und den Michael bei ihrer Wahlparty, denn die waren in der Partei der Roten oder Grünen. Ich kann leider nicht genau sagen welche Farbe es war, denn ich bin Farbenblind. Bei ihnen war die Stimmung doch eher getrübt, was an "ihrer" verloren Wahl gelegen haben könnte. Der Abend verlief ohne besondere weitere Zwischenfälle. Er verlief recht lustig, denn alle Getränke gingen auf Kosten der Partei. Ich verschweige euch besser welcher Partei ich angehöre, sonst könnten Manche von mir ein falsches Bild bekommen. Ich bin nicht aus politischer Überzeugung in eine Partei eingetreten, sondern eher wegen der Gaudi und dem Spaß den man hat, vor allem dann, wenn ein paar der Freunde und Klassenkameraden auch mit dabei sind. So gegen zwölf, nachdem wir noch im Tagblatt waren, genauer gesagt im City Diner, wurde es Zeit für mich, nach Hause aufzubrechen. Das Tagblatt ist bei uns ein gutbesuchtes Lokal, in das ihr einmal gehen solltet, wenn ihr in Ingolstadt seit. Das Essen ist zwar nichts besonderes, aus der Mikrowelle halt, dafür ist die Einrichtung um so besser, es laufen aber auch ganz hübsche Mädchen umeinander, die man vielleicht durch Zufall kennenlernt. In meinem Bett drehte ich mich lange von einer Seite auf die andere, aber schlafen konnte ich trotzdem nicht. Irgendwie schien mir die Sache mit dem Streit doch näher zu gehen als ich dachte. Am nächsten Morgen, ging ich nicht in die Schule. Kein Wunder, ich hatte zwar meine Hausaufgaben gemacht, doch hatte ich nichts gelernt. Der Vormittag verging nur sehr sehr langsam, aber ich freute mich doch schon auf meine Karin. Es war übrigens das erste mal in all den Jahren, daß wir eine Ex an einem Tag geschrieben haben, an dem ich krank war. Ich überlegte lange was ich ihr den sagen soll, aber ich kam zu keinem Ergebnis. Auf die Idee einfach Entschuldigung zu sagen, bin ich nicht gekommen. Das heißt, ich bin schon drauf gekommen, aber ich konnte es ihr nicht einfach sagen, ich fand, das käme irgendwie blöd. Als sie dann nach vielen Stunden des Wartens bei mir ankam, wollte sie nicht mit mir reden, sondern Computerspielen. Im nachhinein muß ich sagen, es war ein komischer Nachmittag. Wir haben nicht viel über uns gesprochen. Wenn ich’s mir recht überlege, haben wir so gut wie gar nicht gesprochen. Nach zwei Stunden, mit einem Haufen Spaß vor dem Computer, lag der Zeiger der Uhr in der Kurve und sagte mir, daß es Zeit war, sich auf den Weg in den Tanzkurs zu machen. Pünktlich, wie immer fünf Minuten später als erwartet, holte mich der Basti mit dem Fahrrad ab. Ich verabschiedete mich von meiner Freundin und hatte irgendwie das komische Gefühl, das etwas komisches in der Luft lag. Nach Stundenlangen grübeln viel mir dann doch noch ein möglicher Grund für dieses komische Verhalten gegenüber mir ein. Dieser komische Heini von der Tanzparty, der mit ihr getanzt hatte. Didi oder so ähnlich heißt er. Obwohl die ganze Sache mittlerweile schon über eineinhalb Jahre her ist, könnte ich diesem Typ am liebsten heute noch ordentlich vermöbeln, aber ich hab’ halt das Problem mit der wenigen Kraft, insofern fällt diese Art von Rache flach. Meine Tanzpartnerin wollte natürlich wissen, was seit Samstag geschehen war. Ich erzählte ihr, das alles wieder in Ordnung sei, zumindest dachte ich es. Sie erzählte mir, daß die Karin am Samstag auch geweint hat. Es schien der Karin also doch etwas ausgemacht zu haben, aber wie Mädchen halt sind, kann man aus ihnen nie so richtig schlau werden. An diesem Abend schrieb ich in mein Tagebuch: "... Allerdings mache ich mir Sorgen um den Typ vom Tanzen, der meine Freundin angebaggert hat. Wenn sie sich nun in ihn verknallt hat, werde ich wahrscheinlich früher oder später den Kürzeren ziehen.". Und so war’s dann auch. Ich zog den Kürzeren, aber laßt euch erzählen, was mir bis dahin noch alles wieder fahren ist. Nach dem Streit hätte ich von ihr so gerne einmal gehört, daß sie mich mag, aber gesagt hat sie es leider nicht. Wahrscheinlich hat sie mich auch nie jemals richtig gemocht. Am Dienstag habe ich ihr dann am Nachmittag in der Stadt ein geteiltes Silberherz gekauft. Ein paar Stunden zuvor war ich noch bei ihr und sie hat mir erzählt, wie schön so ein Herz ist und das die Dani vom Roman auch eines bekommen hatte. Ich merkte ganz genau, daß sie auch so ein Ketterl wollte. Kennt ihr diese Dinger auch? Die zweigeteilten Herzen, die ein ganzes ergeben, wenn man sie zusammen steckt. Im Grunde eine nette Idee, aber nicht immer ganz Effektvoll. Ich packte es ein und nahm es am Mittwoch mit in die Schule, weil ich es ihr gleich nach der Schule geben wollte. Zuvor bekam ich aber von einem meinem Klassenkameraden Stefan noch einen Brief von der Karin. Warum von Stefan und nicht von ihr selbst? Der Stefan ging zu dieser Zeit auch noch mit einem Mädchen von der gleichen Schule wie meine Freundin. Da er seine Freundin am Dienstag Nachmittag getroffen hatte, gab er mir den Brief. Ich wußte schon, daß ich von ihr einen Brief bekommen würde, denn ich war am Dienstag, kurz bevor ich das Silberherz gekauft hatte, noch bei ihr gewesen. Ich habe mit ihr Französischhausaufgabe gemacht, wie immer falsch, aber lustig war es schon, vor allem wenn man bedenkt, daß ich ein Jahr weiter war als sie. Außen auf dem Brief stand mit großen roten Buchstaben mein Name. Rot ist die Farbe der Liebe, heißt es doch. Hoffentlich waren die roten Buchstaben ein gutes Omen. Schnell faltete ich den Brief auseinander und fing zu lesen an: " Herzallerliebster Schmuckel!!". Schmuckel nannte sie mich immer in den Briefen die ich von ihr bekam. " Ich bin so froh, daß wir uns wieder vertragen haben! Ich war nämlich auch total fertig am Sonntagmittag und hab’ an alle schönen Zeiten zusammen gedacht. Aber ich hab’ mir schon am Nachmittag gedacht, daß ich Dir verzeihen werde. Ich bewundere gerade Deine Rosen, sie sind echt schön. Damit könntest Du mich wieder einmal verwöhnen. Hast Du Danis und Romans Anhänger gesehen? Mir gefällt er voll super." Johoidi Durotio, und die Nachtigall trapst. Daneben war eine kleine Skizze, wie dieser Anhänger aussah. " Am Montag als der Basti kam, konntest Du Dir es wohl nicht verkneifen, ihm zu zeigen, daß wieder alles in Ordnung ist. Mein Vater war auch schon total neugierig. Am Samstag wird’s nichts mit der Tanzparty,...". Stimmt nicht, es wurde die Tanzparty meines Lebens. "..., wir fahren an den Tegernsee! Ich freu’ mich schon, wenn wir uns wieder sehn! Ich vermisse Dich, bitte tu sowas nie wieder!! Ich liebe Dich!! Deine Karin" Ganz unten war noch ein kleiner Zusatz hingeschrieben: " PS: Wie haben eigentlich Deine anderen Freunde (Dennis, die von deiner Klasse) auf den Krach mit mir reagiert? (Soweit sie es wissen!)". Ich war selig. Es war das erste mal, daß sie in unserer Beziehung das Wort Liebe ins Spiel brachte. Gott, ich hatte echt das Gefühl, dieses Mädel liebt mich. Ich war ihr also nicht egal. In der Schule paßte ich an diesem Vormittag überhaupt nicht mehr auf, ich hatte meine Gedanken ganz wo anders, bei jemanden ganz anders. An diesem Mittwoch mußte sie nicht in den Chor, sondern sie schaute sich das Fußballspiel zwischen dem Scheiner und dem Reuchlin an. Meine Schule hat gewonnen, auch wenn das Reuchlin diesen obertollen Raimond in seiner Mannschaft hatte. Die Klassenkameradinnen von der Karin, mochten den Raimond, genau wie ich, auch nicht. Er war genau das, was sich einer aus der Stadt, unter einem echten Bauern versteht. Wie sie je mit so einem Typen gehen hat können, wundert mich bis heute, aber wer weiß schon genau was in einer Frau vorgeht, gerade dann, wenn man selbst keine ist. Ich wollte ihr den Anhänger nicht vor ihren Freundinnen geben, statt dessen gab ich ihn ihr auf dem Nachhauseweg. Ich als Kavalier, oder verlibter Trottel, begleitet sie nach dem Spiel noch nach Hause. Ich sagte: "Guck mal, ich hab’ da was für Dich!". Sie schaute mich an und bremste. Ich gab ihr das kleine Schächtelchen und sie machte es noch nicht gleich auf. Sie sagte: "Danke!" und fuhr gleich weiter. Ich dachte mir: "Nun gut, wird sie’s eben später, wenn wir bei ihr sind, aufmachen.". Und so war’s dann auch. Wir kamen bei ihr an und sie machte die Schachtel auf. Sie nahm das Ketterl mit meinen Initialen und hängte es sich um den Hals. Da ich kein Freund von Halsketten bin, mußte ich sie bitten, mir meine Hälfte, mit ihren Initialien, umzuhängen. Danach umarmte ich sie kurz, weil sie mußte ja unbedingt sofort ins Haus und außerdem hätte uns ihre Mutter sehen können.

Ich verabschiedete mich von ihr und radelte nach Hause. Irgendwie schien sie sich über mein nicht ganz billiges Versöhnungsgeschenk nicht ganz gefreut zu haben. Ich dachte aber nicht weiter darüber nach. Am Abend rief ich dann bei der Dani an, um zu fragen, ob ihr die Karin nicht schon gesagt hat, wie ihr mein Geschenk gefällt. Sie hat gemeint, daß es der Karin sehr gut gefallen hat. Ich war sehr froh über diese Information, denn es beruhigte mich ungemein. In dieser Nacht schlief ich das erste mal wieder gut auch wenn ich mir Gedanken machte, ob unsere Beziehung noch einmal so werden würde, wie sie es schon einmal war. Dieser Donnerstag war ein echt lustiger Tag. In der Mittagspause, wir hatten wie jeden Donnerstag bis fünf Uhr Schule, traf ich mich mit der Karin. Ich weiß nicht was ich getan hatte, aber sie verhielt sich mir gegenüber total komisch. Das erste was mich störte war, das sie mich fast gar nicht beachtete und ihre blöden Vokabeln für ihren Wahlkurs in Italienisch lernte. Das nächste: ich sagte, weil Bayern gestern Abend verloren hatte: "Wenn die Bayern ihre Chancen nicht nutzen, dann sind sie selber Schuld.". Ihr Antwort auf diese Feststellung: "Ja, da redet der Richtige!". Was soll ich jetzt mit so einer Behauptung anfangen? Das nächste was mich zutiefst traf war ihre Bemerkung über unser geteiltes Silberherz. Ich fragte sie, weil ich irgendwas nettes sagen wollte: "Und, Karin, hat Dir mein Ketterl gefallen?", und sie mit einem recht gleichgültigem Tonfall: "Schon.". Nett von ihr, findet ihr nicht? Ich meine sie hätte doch sagen können, das es ihr gut gefallen hat, aber ein "Schon" und dann noch so nett gesagt, ohne den Blick von ihren Vokabeln zu nehmen, ist doch so richtig aufmunternd. Nach dem Nachmittagsunterricht rief ich bei der Dani an. Ich wollte von ihr wissen, was ich von diesen Behauptungen zu halten habe. Sie konnte mir aber leider auch nicht weiterhelfen, bis auf eine klitzekleine Sache die sie mir auch besser nicht mitgeteilt hätte. Ich würde der Karin auf die Nerven fallen, weil ich es zu gut mit ihr meine. Des is ja a Witz. Ich meine, wie kann man etwas falsch machen, wenn man einen Streit so schnell wie möglich aus der Welt schaffen will, versucht das Beste zu machen, und sich um seine Freundin kümmert? Dann rief ich beim Roman an. Er erzählte mir, daß am Samstag nach der Tanzparty der Didi mit der Karin und ihren Freundinnen weg war. Der Roman war auch dabei gewesen. Was mich dann so richtig aufbaute war, daß dieser Didi meine Karin angebaggert hatte, und den ganzen Abend neben ihr gesessen hatte. Glaubt mir, es sind die Tränen und die Eifersucht, die das Leben zu etwas ganz tollem machen. Am Abend fuhr ich dann noch zur Karin. Ich wollte von ihr wissen, was das heute Mittag sollte. Dieser Besuch brachte leider kein Ergebnis, außer daß wir am Freitagnachmittag alle zu einem Versöhnungstrunk ins Café wollten.

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