Kapitel III: Das Hühnchen im Schullandheim

 

In den Sommerferien ist genau das passiert, was ich erwartet habe, nämlich gar nichts. Sie verliefen genau so wie die Letzten. Ich verbrachte die Ferien am Gerolfinger Weiher und die Damenwelt ließ weiterhin auf sich warten. Wenn ich damals gewußt hätte, was für ein harter Weg noch vor mir liegt, um endlich eine Freundin zu bekommen, ich glaube ich hätte aufgegeben. Aber wie Yoda schon zu Luke Skywalker sagte: "Die Zukunft ist ständig in Bewegung", und so ließ ich mich nicht entmutigen und ging frisch, fromm, fröhlich und sogar frei ans Werk. Dieses Werk hieß: "Wie bekomme ich die Dame meines Herzens?" Eine schwierige Frage, auf die ich bis heute nur einmal eine Antwort bekommen habe, aber dazu später mehr. Wie jeder weiß, stand es um den Harry mal wieder schlecht in der Schule (öfter mal was Neues). Ich muß zugeben, daß ich schon immer ein fauler Hund gewesen bin. Ich liebe es, mich zurückzulehnen und einfach gar nichts zu tun. Es war so kurz vor Weihnachten und ich trieb es damals sehr bunt in unserer Klasse. Ich und mein Banknachbar Gerhard (ebenfalls ein Freund von mir) machten über Wochen hinweg soviel Schmarrn, daß wir in die letzte Reihe strafversetzt wurden. Dies tat unserer guten Laune allerdings keinen Abriß, ganz im Gegenteil. Dort hinten konnten wir praktisch tun lassen was wir wollten, es störte ja die Lehrer fast nicht mehr. Allerdings ist es halt auf die Dauer doch recht langweilig Schmarn zu machen, der keinen mehr stört. Also konzentrierte ich mich wieder auf die Sache, die mich vor den Großen Ferien am meisten in der Schule interessiert hat. Ihr dürft dreimal raten. Die Steffi ? He ihr seid richtig gut. Schön langsam entwickelte sich bei ihr das, was einen Jungen an einem Mädchen wohl an besten gefällt. Ja, es war die Voralpenlandschaft, die sich im Laufe der Zeit zu einem mächtigen Gebirge entwickelt. Eben diese Landschaftsform schien nicht nur mir aufzufallen, und so kam es, daß sich mehrere in unserer Klasse auf einmal stark für Erdkunde interessieren begannen. Mir hätte es egal sein sollen.

Damals hätte ich schon merken sollen, daß nicht jede Dame etwas von einem will, und daß ich eben nicht der große Lover war, für den ich mich immer angesehen habe. Die Zeit verging. Die meisten von euch werden das Gefühl ja kennen, wenn man sich unsterblich in jemanden verliebt hat, und man jedes positive Wort das von besagter Person kommt, schon als Beweis der gegenseitigen Zuneigung sieht. Ich kenne das, ist mir echt nichts Neues. Was ich in Sachen Liebe festgestellt habe, ist daß sie das Schönste und gleichzeitig Abartigste sein kann, was es auf dieser Welt gibt. Es ist ein ewiges auf und ab. Es ist übel ohne eine Freundin. Irgendwann kommt die kurze Zeit in der man ein Mädchen hat, dann ist alles wunderbar. Doch so schöner der Traum, um so härter ist das Erwachen. Nacher ist wieder alles so, wie es vorher war - übel. Das alles ist ein ewiges bergauf, bergab dem wohl kaum jemand entkommt. Mit den Gefühlen ist das so eine Sache. Man kann nichts für sie. So hart es eben klingen mag, man muß versuchen mit ihnen zu leben. Man sollte sich auf gar keinen Fall deshalb umbringen. Ändern, oder anders machen geht auf keinen Fall. Man könnte sich zum Beispiel vor lauter Wut, weil einen keine anschaut, zumindest keine die einem gefällt, vor den Computer setzen und anfangen ein Buch zu schreiben. Nein, kommt mir überhaupt nicht bekannt vor.

Es war kurz vor Ostern, und meine schulische Lage hatte sich in keinster Weise verbessert, als wir , die Klasse 6d, auf unsere langersehnte Klassenfahrt gingen. Wir fuhren an einen Ort, den von uns niemand kannte, der soweit weg war, daß wir mit dem Bus eine halbe Stunde benötigten, um unser Ziel zu erreichen. Wir waren auf dem Weg in die Stadt (guter Witz) Eichstätt. Die Busfahrt verlief genau so, wie ich es erwartet hatte. Meine Herzensdame saß etliche Sitzreihen von mir entfernt bei den Leute die damals "IN" waren, und ich durfte bei unseren Strebern vorne im Bus Platz nehmen. Kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken, dacht ich, und stieg aus dem Bus aus um die gute Großstadtluft von Eichstätt einzuatmen. Wir wollten unbedingt ein Sechserzimmer und bekamen auch eines. Aber was für eins. Es hatte eine Tür zum Treppenhaus hin und die Vorwarnzeit für eventuell herannahende Lehrer war so gut wie gar nicht vorhanden. Der Rest der Klasse bekam ein Zimmer auf einem eigenen Flur, der durch eine Glastür verschlossen war. Dort konnte man brüllen und lachen ohne daß irgend jemand etwas gehört hätte. Wir hingegen in unserem Zimmer mit Tür zum Treppenhaus, konnten immerhin in Zimmerlautstärke reden, ohne das irgend jemand aus dem Stockwerk über und unter uns, etwas von unseren Gesprächen über das sehr gute Abendessen mithören hätte können. Das Abendessen war dermaßen gut, daß wir es am nächsten Tag noch einmal aufgewärmt serviert bekamen. Daraufhin wurde ein Teil der Klasse krank und wir mußten, als wir wieder in der Schule waren, diverse Proben von diversen menschlichen Sekretabsonderungen mitbringen, da die Gefahr einer Salmonellenvergiftung bestand. Doch nun zurück zu den Geschehnissen der ersten Nacht bzw. des ersten Morgens. Am Nachmittag spielte ein paar von uns Fußball auf der Wiese vor der Jugendherberge. Ich hätte auch gerne mitgespielt, da die Steffi auch dabei war. Ich muß allerdings zugeben, daß ich noch nie gut im Fußball war, ferner diesem Sport in irgendeiner Form besonders zugetan gewesen wäre. Eines steht fest. Dieses Fußballspiel wird mein Freund Basti nie vergessen. Er bekam nämlich den Ball von der Steffi so fest in den Bauch geschossen, daß er fast keine Luft mehr bekam.

Man sollte an dieser stelle des Buches erwähnen wie gut unsere Steffi doch im Fußball war. Ganz ehrlich, sie spielte wie ein Mädchen. Das soll nicht abwertend sein, aber habt ihr schon mal Mädchen beim Fußball oder Basketball zugeschaut? Zum Totlachen. Es verhält sich jedesmal ähnlich. Eine hat den Ball, und die anderen haben Angst ihr den Ball abzunehmen, da sie sich einen Fingernagel abbrechen könnten. Ein gut getroffener Schuß ist schon eine Seltenheit, und in genau so eine Seltenheit ist unser Basti geraten. Aber das war bei weitem nicht das Schlimmste was ihm an diesem Tag noch passieren sollte. Während ein Teil der Klasse Fußball spielte, vertrieb ich mir die Zeit mit Tischtennis spielen. Es war so eine Art Schullandheimmeisterschaft. Mir wurde sehr schnell klar, daß mein Finalgegner nur der Sturmi sein konnte. Ich sollte euch erzählen, wie oft ich mit dem Sturmi in dieser Zeit bei mir Zuhause Tischtennis gespielt habe. Er gewann ziemlich oft gegen mich. Aber ab und zu gewann auch ich. In dieser Zeit hatte ich einen sehr hohen Verbrauch an Tischtennisschlägern und Bällen. Der Grund dafür lag in meinen spontanen Wutanfällen, die ich entwickelte wenn ich verloren hatte. Ich warf dann den Schläger in die Ecke oder biß einfach in die Bälle. Bald wurden mir die Schläger und Bälle zu teuer, und ich lernte mich zu beherrschen. In dieser Zeit vergingen ganze Sonntagnachmittage mit Tischtennis spielen. Ich gewann nach und nach gegen alle die gegen mich antraten, und so wunderte ich mich gar nicht, als plötzlich nur noch der Sturmi übrig blieb. Ich hatte Angst wieder zu verlieren. Aber dieses mal kam mir der Zufall zuhilfe. Es zog schlechtes Wetter auf wodurch es windig wurde. Ich hatte Glück, da ich nicht gegen den Wind spielen mußte. Und so kam es, daß der Sturmi nicht gegen mich, sondern gegen den Wind verloren hatte. Ich fühlte mich cool. Danach gab es Abendessen bei dem aber nichts aufregendes passierte. Der Abend lief folgendermaßen ab: wir durften wählen ob wir ein von den Lehrern vorbestimmtes Programm über uns ergehen lassen sollten, oder ob wir uns in unsere Zimmer verziehen. Wir wählten die "Zimmeraction". Wir spielten Karten und vertrieben uns die Zeit mit Musikhöhren. Es war ein wundervoller Abend, vorallendingen da um 9 Uhr Bettruhe war. Aber ihr wißt ja wie es ist, wenn man eine bestimmte Zeit vorgeschrieben bekommt - man achtet einfach nicht darauf. Und wie das Leben eben so spielt, wurde aus 9 Uhr abends 5 Uhr früh. In dieser Zeit war mächtig was los, zumindest bei den Mädchen. Und wie es der Zufall will, bekam ich natürlich bei ihnen Zimmerverbot. Ein einziger meiner Zimmergenossen durfte zu ihnen hinein - der Sturmi. Aus der Traum vom Rumkuscheln mit der Angesponnenen. Aber wenn der Spaß nicht zu mir kommt, dann komm ich eben zum Spaß, dachte ich mir. Ich schickte meinen Freund Gerhard als Radioreporter los um Interviews zu machen. Wir hatten Gott sei Dank einen aufnahmefähigen Walkman dabei. Es war schon ein "cooler Gag". Sämtliche Streber beschimpften unsere Lehrer und erzählten schweinische Witze. Diese Kassette habe ich heute noch und wenn sie jemand hören will, kann er sie ja bei mir anhören. Die anderen Jungen aus meiner Klasse hatten einstweilen Spaß mit den Mädchen. Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr mich die ganze Sache nervte. Ich wäre auch so gerne dabei gewesen. Aber Spinner und fette Sau gleichzeitig, daß ist einfach zu viel. Am nächsten Morgen sollte ich aber ganz anders über diese Sache denken. Nach dem Frühstück ließ unser Lehrer ein paar Herren zu sich kommen. Unter ihnen auch mein Freund Sebastian. Grund für diese kleine Unterredung: nächtliches aufhalten in den Zimmern der Mädchen. Unser Lehrer sagte damals: "Nach dem Essen kommen bitte folgende Leute zu mir, weil ich mit ihnen noch ein Hühnchen zu rupfen habe!" Ich hätte mich beinahe totgelacht. Was damals im Schullandheim wirklich geschah, erfuhr ich erst viel später. Was heißt "geschah"? Ich meine das was unsere Jungen mit unseren Mädchen gespielt haben. Um ehrlich zu sein, ich weiß es nur aus Erzählungen, Aber ich habe diesen Geschichten von Haus aus immer Glauben geschenkt. Auf diese Erzählungen möchte ich jetzt nicht näher eingehen, da sie zu weit entfernt sein würden. Eines weiß ich aber ganz gewiß, in jener Zeit hätte mir bereits meine Unbeliebtheit beim anderen Geschlecht auffallen müssen. Aber ich ließ mich nicht beirren und versuchte weiter mein Glück bei meiner angebeteten Stefanie. Als wir wieder daheim waren, mußten wir dann unsere Proben wegen der Salmonellen mitbringen. Wir ließen es uns natürlich nicht nehmen unsere Proben überall herumzuzeigen. Mit dabei und immer lustig war natürlich, wer auch sonst, ich. Diese Vorstellung brachte mir auf jeden Fall einen dicken Minuspunkt. Ach ja, die schlechte alte Zeit. Könnte ich noch einmal zurück und all diese Fehler bereinigen, aber was will man machen, man lebt halt in der Gegenwart, nicht in der Vergangenheit. In diesem Schuljahr ist danach auch nicht mehr viel passiert. Der Sommerwandertag verlief wie alle anderen auch. Die Coolen bei den Mädels und ich bei der Elitetruppe, den Strebern und Kontaktarmen.

Apropos Wandertag. Soweit ich mich erinnern kann fuhren wir nach Schloß Thurn. Dort gibt es einen kleinen See auf dem man mit Tretbooten herumfahren kann. Ich saß damals mit dem Sturmi in einem Boot. Er sagte, daß ich näher an Ankes und Steffis Boot heranfahren sollte. Ich tat es und er tat das Unmögliche. Er sprang von unserem Kahn auf ihren, wodurch dieser beinahe gekentert wäre. War eine starke Aktion von ihm. In den letzten Tagen vor dem Zeugnis hatten wir viel Spaß in der Schule. Dann war es wieder soweit: Sommerferien. Sie verliefen genau wie in all den Jahren zuvor.

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