Kapitel V: Die Hoffnung auf eine Freundin

 

 

Das siebte Schuljahr ging allmählich zu Ende. Es war ein hartes Jahr. Ich beendete es mit eine, lachenden und einem weinenden Auge. Warum mit einem weinenden Auge? Tja, es lag wohl daran, daß der Sturmi dieses Jahr nicht bestanden hatte. Er hätte wiederholen können, oder auf die Realschule gehen können. Leider ging er auf die Realschule. Ohne ihn wurde es ruhiger in unserer Klasse. Ganz ehrlich vermisse ich ihn in unserer Klasse. Es ist einfach so, wie wenn etwas wichtiges fehlt, so wie Kaffee ohne Milch oder Winter ohne Schnee. Wenn man nach dem Schnee gehen würde, hätten wir in Ingolstadt gar keinen Winter, denn bei uns liegt nicht sehr oft Schnee. Heuer hatten wir Glück, es lag fast 14 Tage lang Schnee.

Das große Grinsen tritt allerdings in mein Gesicht, wenn ich an unseren Sommerwandertag denke. Es war der beste Wandertag den ich je erlebt habe. Wir fuhren damals nach Kratzmühle, einem wunderbaren See im Altmühltal. Schon Tage vorher hörte ich gespannt den Wetterbericht, ob das Wetter uns keinen Strich durch die Rechnung macht. Nun es machte uns keinen Strich durch die Rechnung. In der Schule wurde schon Tage vorher besprochen, was alles mitzunehmen sei: Schnitzel, Würstchen, Salat, Besteck, Teller, Getränke, Grillkohle und noch viele andere Dinge. Am besten kam aber unser Sturmi daher. Er hatte sich von Zuhause einen Klappliegestuhl mitgenommen und lag mit einem breiten Grinsen darin. Der Rest mußte auf relativ unbequemen Holzbänken Platz nehmen. Ich, ein guter Esser wie ich nun einmal war, aß natürlich nicht, wie jeder normale Mensch ein oder zwei, sondern gleich vier Schnitzel. Mit etwas Übung, die man im Laufe der Zeit bekommt, wenn man immer viel ißt, kann man ohne größere Probleme vier Schnitzel in sich hineinstopfen. Es war einer der heißesten Tage des Jahres und wir schwitzten was das Zeug hielt, bzw. was die Schweißdrüsen von sich gaben, und das war ne ganze Menge. So kam es, daß wir uns beim Bootsverleih Boote mieteten. Schwimmen durften wir ja nicht, da unsere Lehrerin keine Sportlehrerin war. Ich als perfekter Gentleman, guter Witz, gell, stieg ins Boot und setzte mich sofort an die Ruder. Mit in meine Nußschale setzten sich die Vroni, die Isabell und zu meiner Verwunderung auch meine Lehrerin. Ich kann euch sagen wie schön es ist bei angenehmen 30 Grad mit einem Boot und drei Damen über den See zu rudern. Irgendwann trifft man dann den Rest der Meute in anderen Schiffen auf dem See, und ,wie könnte es auch anders sein, fängt einer an mit Wasser zu spritzen. Ihr könnt euch sicher denken, wer der erste war der etwas abbekam. Ich? Nie im Leben. Es hat einen Vorteil, wenn man naß ist. Es macht einem nichts mehr aus naßgespritzt zu werden. In diesem Moment viel mir die Seeschlacht aus "Ben Hur" ein. Ich paddelte ein Stück weit weg, drehte um und rief: "Rammgeschwindigkeit!". Wie ein Wilder ruderte ich auf die anderen Boote zu, in der Absicht eins zu rammen. Das Glück war mit holt. Ich erwischte eins und begann die Anderen auch naß zu spritzen. Wie die ganze Sache aus ging, könnt ihr euch ja denken. Ein Großteil unserer Klasse fuhr mit nassen Sachen nach Hause. Darunter unsere Lehrerin und die Steffi. Ihr hättet mal das Gesicht des Busfahrers sehen sollen, als da 20 von oben bis unten nasse Schüler in den Bus eingestiegen sind. Aber damit nicht genug. Ich hatte Glück und durfte im Bus neben meiner Angebeten sitzen. Das heißt fast, der Mittelgang trennte uns. Im Bus fühlte ich mich wie ein junger Gott. Es war das erste mal, daß ich länger als zwei Minuten mit ihr an einem Stück geredet habe. Oh wie toll, werdet ihr jetzt sagen, der durfte doch tatsächlich im Bus fast neben ihr sitzen. Für mich war es damals auf jeden Fall eine schöne Sache. Ich weiß es noch, als wenn es gestern gewesen wäre. Wir redeten miteinander über allerhand Dinge und ich war selig. Doch irgendwann fingen wir alle zu singen an. Wir sangen Lieder wie "What shall we do with a drunken Sailor" oder das Lied aus der Choco Crossies Werbung. Es war einfach super. So glücklich bin ich seither nicht mehr von einem Wandertag nach Hause gekommen. Nach diesem Wandertag machte ich mir, bei ihr, richtige Hoffnungen. In der Pause des nächsten Tages stand sie dann noch sogar bei uns. Man war ich in sie verliebt. Soetwas kann man sich gar nicht vorstellen. Leider machte ich wie immer einen großen Fehler, ich verarschte sie ein wenig zu sehr. Schön blöd, wird so mancher jetzt sagen, wenn er von einem Mädchen etwas will, kann er sie doch nicht verarschen. Jeder normale Mensch hätte sie vielleicht ins Kino oder auf ein Eis eingeladen, aber nicht euer guter alter Harry. Er machte sich nur über sie lustig. Was soll ich heute dazu sagen? Es ist eben so, daß ich im falschen Moment grundsätzlich das falsche sage oder mache. Für mich war es allerdings ein schwacher Trost, wie ich hörte, daß mein Vater in seiner Jugend genauso war wie ich.

Apropos mein Vater. Ich sollte an dieser Stelle den Beruf meines Vaters erwähnen: er ist Lehrer. Alle Lehrerskinder werden jetzt entsetzt aufschreien, denn nur sie wissen, was das bedeutet. Für die Anderen erkläre ich es kurz. Ein Tag verläuft ungefähr so: nachdem sich die ganze Familie am Mittagstisch pünktlich um 13:10 Uhr trifft ist die erste Frage an den Sohnemann wie es in der Schule war. Gab es eine gute Note bekommt man als Antwort ein eher gleichgültiges " Paßt schon" zu hören. Aber wehe es gab einen Fünfer oder Sechser, dann geht´s nämlich los. " Schon wieder nicht gelernt, was? Ab heute wird das wieder anders. Ab heute lerne ich wieder mit Dir. Erst werden mir die Hausaufgaben gezeigt, und dann frage ich dich in allen Fächern ab, die Du morgen hast!" Es ist schon ein wunderbares Gefühl mit 16 Jahren Zuhause abgefragt zu werden. Mensch Leute, daß nenne ich Leben.

Ich hatte damals eine echt schöne Zeit, verliebt und das Schuljahr bestanden. Herz was willst du mehr dachte ich mir. Die Antwort kann ich euch schenken, denn ihr könnt es euch ja denken, was ich mehr wollte. Ich hatte das typische Denken, daß unsere Gesellschaft auch hat: ich, bzw. wir können uns mit nichts zufrieden geben, immer muß es noch besser, größer oder teuerer werden, zufrieden werden wir dabei wohl nie. Mir fehlte eine Freundin. Allerdings nicht nur mir, sondern vielen anderen Bekannten von mir auch. Nach und nach bekamen sie alle eine, nur ich nicht. Was will man da tun? Die Antwort möchte ich euch nicht vorenthalten. Man muß Wohl oder Übel warten. Warten kann sehr hart sein, vor allen dann, wenn man nicht weiß, wann etwas eintrifft. Es ist ein völlig anderes Warten als das Warten auf Weihnachten oder den Geburtstag. Wenn man auf den Geburtstag wartet, weiß man wenigstens wann er ist. Beim Warten auf eine Antwort von der Ex-Freundin, in die man immer noch verliebt ist, ist das Warten viel härter. Ich möchte euch hiermit erklären, daß es fast nichts blöderes gibt als Warten. Warten ist meistens ziemlich Sinnlos, man könnte genausogut eine Verabredung mit Godot treffen.

Die Sommerferien verbrachten wir in Spanien mit meinen Cousins. Es ging ziemlich drunter und drüber, was man sich ja denken kann, wenn man auf einmal 14 Tage mit den heißgeliebten Verwandten verbringen muß, von denen man sonst das ganze Jahr nichts hört. Für mich war es allerdings der schönste Urlaub, den ich je hatte. Was von vornherein klar war, war daß wir uns streiten würden. Nun, wir haben uns natürlich gestritten, und zwar nicht zu knapp. Der Urlaub war genau so, wie man ihn sich vorstellen konnte. Man hatte echt alles, was man braucht. Deutsches Bier (Weizen), das man von Zuhause mitgebracht hat, einen tragbaren Fernseher mit dazugehörigem Videorecorder, eine große Anzahl an Videokassetten, sogar einen Pc hatte mein Onkel mitgebracht. Es gab sogar einen Supermarkt, der Milkaschokolade und Schwarzwälder Schinken in Angebot hatte. Im Lokal um die Ecke gab es Pizza, Spaghetti und Wiener Schnitzel. Der Urlauberort in dem wir waren, erinnerte mich an den Film "Man spricht deutsh". Zitat (leicht verändert, damit es auf Spanien zutrifft): "Hier in dieser Ferienhaussiedlung wohnen übrigens ausschließlich Deutsche, Spanier lassen wir hier in dieser Gegend überhaupt nicht mehr rein.". Wo man hinschaute standen Autos mit deutschen Kennzeichen. Ich war damals sehr froh wieder nach Hause zu kommen, denn auch die nettesten Verwandten fallen einem irgendwann auf die Nerven. Daheim angekommen, bekam ich dann noch meinen moralischen Denkzettel, an den ich lange zu knabbern hatte. Ich bekam, oh Schreck, oh Graus, eine Brille. Mein Schönheitsideal, sprich ich, wurde vollkommen zerstört. Ganz ehrlich, ich hasse Brillen. Kommt man vom Warmen ins Kalte (oder umgekehrt) läuft die Brille an. Schaut man nach links oder rechts, sieht man nicht das was man sehen will, sondern nur den Rahmen. Wenn sie Kratzer hat, sieht man Striche vor den Augen, was oft ein ziemlich lustiges Bild abgibt. Die Brille hat für mich nur einen, aber wirklich nur einen, Vorteil. Ich kann endlich wieder scharf sehen.Warum ich kleine Kontaktlinsen trage? Nun, da gab es einmal ein kleines Mißgeschick beim Augenarzt. Dieser wollte mir die Kontaktlinsen schenken, doch mein Vater nahm dieses etwas teurere Geschenk nicht an. Warum er sagte, daß ich sie nicht brauche, und er mir lieber ein neues Brillengestell gekauft hat, ist mir bis heute ein Rätsel. Ob ich ein geborener Verlierer bin? Sicher, wer denn sonst, wenn nicht ich. Doch nun genug gewartet. Hier ist es. Wohl eines der traurigsten und niederschmetternsten Kapitel in diesem Buch (zumindest aus meiner Sicht heraus).

 Nächstes Kapitel...
 Zurück zur Auswahl