Kapitel VI: Das Schilager der Freuden

 

 

Diejenigen unter euch, die mich kennen, sind sicherlich über die Geschehnisse im Skilager informiert und wissen was jetzt kommt. Den übrigen möchte ich vorher mitteilen, daß sie dieses Kapitel nur dann lesen sollten, wenn sie mir versprechen, keinen Selbstmord zu begehen. Es ist fast das Härteste was mir in meinem Leben bis jetzt passiert ist. Es gibt nur eines was für mich noch härter war, das klägliche Ende meiner Beziehung zu einer Dame namens Karin. Die achte Klasse ist schon etwas wunderbares. Sie fing damals sehr gut an, denn unsere Klasse wurde geteilt und viele der alten Klassenkameraden kamen von uns weg. Die Neuen wurden erst einmal mit Ab- stand begutachtet. Allerdings entstanden nicht nur Nachteile durch diesen neuen Teil der Klasse. Ich muß sagen, daß doch einige hübsche Mädchen darunter waren. Eine von ihnen viel mir gleich am ersten Tag auf. Sie hieß Judith. Sie schien nicht nur mir aufzufallen, sondern auch meinem Freund Sebastian. In dieser Zeit übernachteten wir viele Male bei einander. Es war das erste mal, daß ich mit ihm über Mädchen sprach. Er erzählte mir wie sehr ihm diese Judith doch gefiel. Ich glaubte es ihm ohne zu zögern, da sie nicht gerade häßlich war. Meine Erfahrungen in dieser Zeit in puncto Judith waren eher negativ. Was heißt negativ? Um ehrlich zu sein, sie schien mich nicht besonders gut leiden zu können, um es einmal milde auszudrücken. Dies Mißgunst von ihr hatte ich mir einmal wieder selbst zuzuschreiben. Ich machte damals den großen Fehler und fing an ihr Zettel zu schreiben. Nicht nur ich, der Basti auch. Nur eines schien sie nicht zu mögen, und das war es wenn ich etwas perverses schrieb. Ich schrieb so allerhand schmutziges Zeug auf meine Brieflein. Es war natürlich nicht ernst gemeint. Leider fragte sie in einem ihrer Briefe: "Hast Du das jetzt ernst gemeint?" (bezogen auf meine Andeutungen vonwegen Sex und so) und ich Vollidiot mußte natürlich, ihr kennt mich ja mittlerweile, mit "Ja" antworten. Es war natürlich nicht ernst gemeint. Wißt ihr was mich an euch Lesern stört? Ihr seit zu leichtgläubig.

Seit diesem Zeitpunkt schien sie keine sehr hohe Meinung mehr von mir zu haben. Selbst Schuld, werdet ihr jetzt sagen, und ich kann euch nur zustimmen. Bei den neuhinzugekommenen Damen schien ich in der Unbeliebtheitsskala die ungeschlagene Spitze zu sein. Bei einer Umfrage stellte sich heraus, daß sogar Grippe beliebter war als ich. War nur Spaß, so eine Umfrage hat es nie gegeben, hoffe ich zumindest. Der Basti machte allerdings nicht den Fehler mit diesen Briefen in dieser Form. Er schrieb immer brave Briefe. Er wußte eben wann es genug war, ich nicht. Auf jeden Fall waren wir damals über beide Ohren verliebt. Er in besagte Judith und ich in "meine" Steffi. Es wurde Weihnachten und die Judith mochte mich immer noch nicht, obwohl die Sache mit den Briefen schon Anfang Oktober passiert war. An unserer Schule kommt am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien immer der Nikolaus. Dieses Jahr kam er auch das erste mal zu uns. Wir hatten damals das einmalige Glück vom INTV gefilmt zu werden.

Für diejenigen die über Ingolstadt nicht so informiert sind: INTV ist unser kleiner regionaler Fernsehsender. Da ich in der ersten Bank saß, dort sitze ich heute immer noch, bin ich fast die ganze Zeit auf diesem Video zu sehen, sogar in Farbe. Es ist ein schönes Gefühl verliebt zu sein, vor allem in Hinblick auf das in drei Wochen stattfindende Skilager. In den Weihnachtsferien traf ich mich sehr oft mit dem Sebastian. Wir redeten oft und gerne über unsere Angebeteten. Die Zeit vor dem Skilager war einfach wunderbar, wie gesagt, vor dem Skilager. Wir malten uns aus wie wir sie in den Arm nahmen und mit ihnen danach in Ingolstadt ins Kino gingen. Diese Vorstellung war einfach wunderbar. Eines sollte ich euch aber über extreme Vorfreuden sagen. Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt und drittens als man selbst verkraften kann. Zumindest mußte ich damals viel verkraften. Leute ich sag´s euch, es war der Hammer. Es wundert mich ja fast schon ein wenig wie ich es ohne größeren äußeren Schaden überlebt habe. Aber laßt mich am Morgen der Abfahrt beginnen. Genauer gesagt am Ingolstädter Hallenbad Mitte um 7:45 Uhr Mitteleuropäischer Ortszeit.

"Ja, ich habe alles!" sagte ich zu meinem Vater und verabschiedete mich von ihm. Ausgerüstet war ich wie ein Weltmeister. Kassettenrecorder, 20 Kassetten, Ersatzbatterien, Cola, Chips und den üblichen Kram den man halt auf eine Weltreise mit Ziel Saalbach-Hinterklemm in Österreich so mitnimmt. Mein Vater fuhr ab, und ich nahm meinen Koffer, meine Schischuhe, meine Schi und meinen Kassettenrecorder, der mir auch schon im Schullandheim gut gedient hatte, und begab mich zu meinen Freunden. Zu meiner Verwunderung muß ich zugeben, daß die anderen auch nicht weniger Gepäck dabei hatten als ich. Um kurz vor acht wurde eine Anwesenheitskontrolle gemacht. Alle waren da, nur der Bus nicht. Achtung: das war das Erste, was an dieser Woche alles schief ging. Ich erinnere mich noch ganz gut wie kalt es an diesem Morgen war. Es wurde viertel nach acht und noch immer kein Bus in Sicht. Schön langsam fingen wir bzw. ich an zu nörgeln. Wenn ich etwas hasse, dann ist es wenn ich in der Kälte auf den Bus warten muß. So gegen halb neun kam der Bus dann doch endlich an. Jetzt kommt die gute Nachricht Nummer 2: der Gepäckraum im Bus war zu klein, daraus folgt: wir mußten unsere Taschen mit hinein nehmen. Das war aber bei weitem noch nicht alles. Nummer 3: die Toilette im Bus durfte nicht benutzt werden. Keine Ahnung wieso, aber es war nun eben einmal so. Leider bin ich es gewohnt alle 2-3 Stunden aufs Klo zu gehen. Und wie´s der unglückliche Zufall will, mußte ich dieses mal auch. Leider war ich der Einzige. Der Bus hielt an, ich sprang raus, lief ein Stück in den Wald und konnte nicht. Wieso werdet ihr jetzt fragen? Nun, ich hasse es wenn mir Leute dabei zusehen, vor allem ein ganzer Bus. Ich wieder hinein in unser großes Komfortfahrzeug und bis zur Grenze gewartet. Nummer 4: Steffi hinten, ich vorne.

Bis zu diesem Zeitpunkt verlief alles nach Plan. Es war genau so, wie ich es mir erwartet hatte. Allerdings war dies der schlechteste Plan den ich hatte. Der Beste den ich hatte, sah folgendermaßen aus: Ich sitze im Bus neben Ihr. Soviel zu meinen Plänen für die Busfahrt.

Nummer 5: Beschwerden des Busfahrers und anderer Leute über die zu laute und zu schlechte Musik aus meinem Kassettenrecorder. Diese Beschwerden wurden von mir ignoriert, weil ich mich weigere 4 Stunden lang im Bus Volksmusik oder Heavy Metal anzuhören. Was allein in diesen ersten Stunden schief ging konnte eigentlich nur in einer Katastrophe enden, zumindest für mich. Ganz im Vertrauen, aber bitte nicht weitersagen, es endete in einer Katastrophe für mich. Als wir dann endlich in Saalbach ankamen, durfte mit unserem Gepäck noch ein zweihundert Meter langer Aufstieg bewältigt werden. Kein Problem, den der Weg war überhaupt nicht steil oder gar vereist. Nein, er war äußerst schief und glatt. Doch auch die schwierigste Steigung kann einmal bewältigt werden, und nach einer 15 minütigen Quälerei, findet man sich doch am "gutgelegenen", wie es in dem Infoblatt der Schule hieß, Steinachhof ein. Wer aber nun glaubt, rein in die Zimmer und Mittagessen, der irrt sich, und zwar gewaltig. Die Zimmer mußten geputzt werden, und wir wurden aufgefordert in einen Kellerraum zu gehen. Dort "durften" wir warten, (ich wollte jetzte nicht sagen "mußten", weil es würde so nach Zwang klingen) und nach einer Stunde hieß es dann: " Alles umziehen, wir gehen jetzt zum Schifahren, weil es mit den Zimmern noch ein bißchen dauern kann". Widerwillig öffnete ich meinen Koffer zog mir meine Schihose an und sammelte meine Wäsche, die in den Dreck gefallen war, wieder ein.

Die Schi geschnappt, den Weg wieder nach unten, doch was jetzt? Jetzt mußten (diesmal war es ein Zwang) wir zweimal einen Hang nach oben laufen. Es war kein gewöhnlicher Hang, sondern ein Tiefschnee Hang. Wir hatten damals dort hinunter zu fahren, weil uns die Lehrer in Gruppen einteilten. Nach einer geschlagenen Stunde war auch diese Tortour überstanden. Also den immer noch vereisten und steilen (von wegen Errosion) Weg wieder zurück. Zum Glück nur mit den Skischuhen und den Ski. Damals wog ich noch einiges zuviel, weshalb ich fix und fertig im Steinachhof ankam. Jetzt waren endlich unsere Zimmer bezugsbereit.

Da ich schon immer ein Glückspilz war, bekam ich natürlich ein wunderbares Bett mit einem sehr dünnen schon geflickten Laken. Aber diese Bett sollte mir im Laufe der Woche noch viel besser gefallen. Mein Bett, ein Stockbett indem ich unten lag, hatte auf der rechten oder linken Seite, kommt ganz drauf an wo man den Kopf hinlegt, ein dünnes Brett. Dieses Brett berührte die Wand. Diese Wand wiederum war eine Außenwand, und war deshalb sehr kalt. Die Fenster konnten nicht geöffnet werden, da sich bei der Kälte der Rahmen verzog und die Scheibe beim Schließen zerbrechen könnte. Mein Freund Gerhard, hatte dieses Wunder eine Woche vor unserer Ankunft geschafft. Er war mit seiner Klasse eine Woche eher in diesem "Nobelhotel" als wir. Er machte das Fenster auf, der Rahmen verzog sich, und als er das Fenster wieder schließen wollte, zerbrach die Scheibe. Mit der steigenden Anzahl von Tagen und Nächten stieg auch die Luftfeuchtigkeit in unserem Zimmer. So geschah es, oh Wunder, daß sich an dem Brett von meinem Bett kleine Wassertropfen bildeten. Diese wurden mit der Zeit größer und machten mein Bett naß. Habt ihr schon mal in einem feuchten Bett geschlafen? Nein? Ich kann euch nur den Rat geben, die Finger davon zu lassen. Es fühlt sich komisch an. Man meint ständig man hat ins Bett gemacht.

Nach dem Schifahren überzog ich mein Bett mit diesem "Komfortlaken", bei dem das Laken für das Kopfkissen zu groß, und das für die Matratze zu klein war. Es war ein Laken nach altbekanntem Muster: dreimal abgeschnitten und immer noch zu kurz. Nachdem ich auch diese Schwierigkeit aus der Welt geschafft hatte, ging das Reden über unsere angesponnen Mädchen auch schon los. Ich erfuhr, daß ein gewisser Stefan, auf eine gewisse Judith ein Auge geworfen hatte. Was sagt uns das? Sebastian hatte überraschend Konkurrenz bekommen. Als der Stefan erfuhr, wer da noch auf eine gewisse Dame steht, war er sauer. Warum werden manche fragen, macht doch nichts. Falsch- macht schon etwas. Der Stefan wog damals über 80 Kilo, war also etwas fett. Unser Basti war damals schon ein sportlicher Typ.

Leider merkten wir nicht wie unsere Unterhaltung zu einem Streitgespräch ausuferte. Damit stieg auch der Lärmpegel. Wir brüllten uns an, wer bei wem das Vorrecht hatte. Wir schrien sehr laut die Namen unserer verehrten Damen durch die Gegend. Unglücklicherweise ging, wie konnte es anders sein, in diesem Moment die Tür auf und jene Damen, über die wir eben noch lauthals unterhalten hatten, kamen zur Tür herein. Ich bekam einen Schock, ließ mich rückwärts auf mein Bett fallen, wobei mein schönes Bettlaken ein Riß bekam. Die Mädchen statteten uns einen Besuch ab. Das erste was ich dachte war, ob sie vielleicht unsere Unterhaltung gehört haben könnten. Ich kam mir auf einmal so komisch bloßgestellt vor, als wäre ich nackt durch die Fußgängerzone von München gelaufen.

Apropos München. Ich bin in München geboren und zwar eine dreiviertel Stunde nachdem das Oktoberfest eröffnet worden war. Demnach bin ich also vom Sternzeichen her eine "Jungfrau". In dieser Zeit, im Schilager, entstand bei mir auch der Spruch: "Harry, die doppelte Jungfrau". Hört sich doch prima an, finde ich zumindest. Jungfrauen sind wahnsinnig heiß auf Computer und auf technische Neuerungen, steht in meinem "Quatschhoroskop". Das ist wahr. Ich liebe meinen Computer. Er ist immer da, wenn ich ihn brauche, im Gegensatz zu den Frauen, da ist nie eine da, wenn man eine möchte oder eine sucht.

Eines habe ich in der Zwischenzeit gelernt, ich bin immer zur falschen Zeit am falschen Ort, hab’ ich vor allem im Schilager gemerkt. Wäre ich bloß Zuhause geblieben. Nachher ist man halt immer schlauer. An diesem Abend war es zumindest bis sieben Uhr lustig. Die Mädchen waren bei uns im Zimmer. Wir hatten einen mords Spaß. Ich war damals so gut drauf, denn die Steffi saß neben mir auf dem Bett. Wäre uns das Abendessen nicht dazwischen gekommen, wer weiß, vielleicht hätte ich mich getraut und den Arm um sie rumgelegt. Nein, hätte ich ganz bestimmt nicht, denn zu sowas fehlt mir einfach der Mut. Außerdem ist mir nicht nur das Abendessen dazwischen gekommenen, sondern auch ein Typ namens Alex. Er war Österreicher und in der 10. Klasse. Das ganze lief wie folgt ab: in mitten unserer fetzen Gaudi, mußten wir zum Abendessen. Das Essen war so gut, daß mehr als die Hälfte übrig blieb. Danach schauten wir uns noch Filme über "Erste Hilfe" auf der Schipiste an. Im Grunde waren die Filme gar nicht schlecht, denn ich saß ziemlich nah bei der Steffi. Als dann die Filme gegen halb neun aus waren, gingen wir wieder auf unsere Zimmer. Ich freute mich schon, weil ich dachte, es würde so weitergehen wie vor dem Abendessen. Wir gingen also hoch und begegneten diesen "liebenswerten" (im wahrsten Sinne des Wortes) Österreichern, die auf unsere Mädchen eine weit höhere Ausstrahlung zu haben schienen, als wir. Ab diesem Zeitpunkt verlief der Schiurlaub nicht mehr ganz so, wie ich es mir ursprünglich vorgestellt hatte. Diese "Özis" redeten nicht nur mit unseren Angesponnen, nein, sie baggerten sie auch noch an. Am ersten Abend dachte ich mir noch nicht viel dabei, allerdings wurmte es mich zusehens, wie unsere Mädechen mit diesen Subjekten auch nur ein einziges Wort wechseln konnten. Vor lauter Zorn fing ich an über dem Bett von mir den Lattenrost vollzukritzeln. Ich schrieb eine Art Tagebuch. Der zweite Tag verlief ohne besondere Komplikationen. Um acht Uhr wecken, um halb neun Frühstück und ab neun Uhr hieß es Querfeldeinmarsch zur Piste. Die ausgezeichnete Lage des Steinachhofs, wie es in unserem Elternflugblatt hieß, ermöglichte es uns, innerhalb von 15 Minuten am Lift zu sein. Das heißt soviel wie: rein in die Schistiefel, die Schi über die Schultern genommen und erste einmal ein paar Kilometer laufen. Selbstverständlich nicht über Wege oder gar Straßen, sondern über verschneite Wiesen mit einer Schneehöhe von mindesten 50 cm. Sogar ein Bach mußte überquert werden.

Mir ist es bis heute ein Rätsel wie ich unbeschadet über diesen Bach gelangen konnte. Einige von uns wurden naß, ich ausnahmsweise einmal nicht. Allerdings wäre jenes noch das geringste übel in diesem Schikurs gewesen. Die Gruppe in der ich mich befand, waren die meisten besser als ich. Das Tempo war für mich zu schnell, weshalb ich immer der Letzte war. Am nächste Tag ließ ich mich in eine schlechtere Gruppe versetzen, in der ich einer der Besten war. Der Abend verlief wunderbar: das Essen war unmerklich besser wie am Vortag, das Problem mit den Österreichern blieb. Ich war dermaßen Eifersüchtig, soetwas kann man sich fast schon nicht mehr vorstellen. Die Anderen machten sich natürlich über mich lustig. Ein gewisser Daniel brachte es sogar fertig der Steffi zu sagen, wie Eifersüchtig ich war. Für diese Tat könnte ich ihn heute noch zum Mond schießen.

Ich gebe euch einen Tip: wenn euch ein Mädchen oder Junge gefällt, erzählt es wenn überhaupt nur Personen, von denen ihr sicher sein könnt, daß sie nichts verraten. Alle Anderen sollen oder müssen halt in Dummheit sterben. Es hat keinen Wert wenn es jeder weiß, ansonsten endet das Ganze in einem Himmelfahrtskommando. Am Dienstagabend verschärfte sich die Lage also. Es sah so aus, als würde sich meine Angesponnene in einen von diesen Österreichern verlieben. Damit war sie allerdings nicht allein, denn die Anke verliebte sich ebenfalls in einen von diesen "netten Jungs". Ich hätte mit dem Kopf an die Wand rennen können, aber es hätte mir nichts geholfen. Stattdessen versucht ich das Ganze mit guter Laune zu überspielen. Leider gelang mir jenes überhaupt nicht. Ich tat so, als würde es mir überhaupt nichts ausmachen, aber irgendwie schien mir das niemand so richtig zu glauben. Gegen zehn Uhr endete auch dieser liebreizende Tag, für die Übrigen jedenfalls, denn ich konnte lange nicht schlafen. Mittwochfrüh war ich ziemlich müde und schlecht drauf, denn Grund brauche ich euch ja nicht zu nennen. Der Tagesablauf war der Gleiche wie am Tag zuvor. Schifahren, Mittagessen, Schifahren, Programm der Lehrer überleben und dann Spaß haben. Was heißt Spaß? Mein damaliger Freund Florian und ich, hatten gerade unsere depressive Phase. Dieser Florian ist ein anderer als der, dem ich ein ganzes Kapitel gewidmet habe. Hier handelt es sich um den Ratz (hängt mit seinem Nachnamen zusammen), nicht um den Florian "Lord Helmchen" . Er hatte sich beim Schifahren in eine aus unserer Parallelklasse verliebt. Wir interessierten uns nicht für die provisorische Disko, die vom Rest unserer Klasse auf unserem Stockwerk aufgebaut worden war. Wir saßen im Zimmer, stopften uns mit allerhand Süßigkeiten voll bis uns schlecht war, dachten nicht im entferntesten Sinne daran, nach draußen zu gehen und zu tanzen, oder etwas lustiges zu unternehmen. Wie könnte es anders gewesen sein, kam natürlich jemand auf die Idee das Lied "What’s a man without a woman" zu spielen. Der Flo und ich hätten denjenigen am liebsten erwürgt. Irgendwann kamen dann die Judith und die Steffi zu uns ins Zimmer. Sie wollten wissen, warum wir so mies drauf waren. Wie kamen sie nur darauf, daß wir schlecht gelaunt gewesen sein könnten?

Die Judith forderte den Florian sogar zum tanzen auf. Ich blieb sitzen, ich wollte die Steffi einfach nicht in der Nähe dieses anderen Kerls sehen. "Super", dachte ich mir, "jetzt sitzt du hier allein". Das dachte ich aber nicht lange, denn nach ungefähr einer halben Minute ging die Tür auf, weil der Flo wieder hereingestürtmt kam. Er schien sichtlich erbost gewesen zu sein. Ich braucht gar nicht erst nach dem Grund zu fragen, denn er erzählte bzw. brüllte es sofort heraus: "Jetzt habe ich sie gefragt, ob sie mit mir tanzen will, dann hat sie gesagt, nee, jetzt mag ich nicht mehr." Ach ja, unsere Judith war schon immer für Überraschungen gut. Nach einer weiteren halben Stunde ging der Florian dann doch wieder hinaus, weil er hörte, daß seine Angesponnene auch unter den Tanzenden war. Ich blieb eisern und allein in meinem Zimmer. Irgendwann kamen dann mehrere in mein Zimmer um mir zu erzählen, daß die Steffi Arm in Arm mit dem Andern auf dem Tisch vor unserem Zimmer sitzt. Diese Neuigkeit hätten sie sich sparen können, denn das war so ziemlich alles, was mir an diesem Abend noch gefehlt hatte. Ich legte mich auf mein Bett und fing an zu weinen. Diese Vorstellung wie sie ein Anderer außer mir im Arm halten könnte, tat einfach furchtbar weh.

Ich hätte nie gedacht, daß die Liebe so gemein und hart sein kann. Seit doch mal ehrlich, was ist schon so tolles an der Liebe. Seit ihr verliebt, ist es noch einigermaßen in Ordnung. Seit ihr unglücklich verliebt, ist es eine verdammt blöde Situation, in der ihr seit. Habt ihr eine Freundin oder Freund ( Gleichberechtigung muß sein) ist die Welt wunderbar, es kann euch einfach alles passieren, und ihr habt jemanden mit dem ihr reden könnt. Gibt es in euerer Beziehung Zoff , könnt ihr an nicht anderes mehr, als an diesen Ärger denken. Ganz schlecht ist man dran, wenn eine Beziehung gerade auseinander gegangen ist. He Leute ich sag´s euch, da hängt man drinnen und man könnte sich vor Trauer auf den Kopf stellen, oder sich eine Axt in den Schädel hauen. Das einzig was da hilft ist eine Runde DOOM am Computer. Kettensäge raus, und ab geht´s. Leider hatte ich in Österreich keinen Pc, außerdem gab’s DOOM auch noch nicht - Shit happens.

Es blieb mir also nur diese eine Alternative: ich warf bis auf zwei Leute alle aus dem Zimmer. Der eine war der Michael, der andere war der Patrick. So schlecht hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Wenn ich ehrlich bin hatte ich mich nie zuvor so schlecht gefühlt. Ich trauerte unter meiner Bettdecke, es tat so weh, ich weiß auch nicht wieso, aber es war kein schönes Gefühl. Der Patrick sagte wie immer nichts. Er ist eben kein sehr gesprächiger Typ. Der Michi versuchte sich als Psychologe, zumindest empfand ich es damals so. Meiner Meinung nach machte er seine Sache gar nicht schlecht. Er sagte: "Was meinst Du denn, was die Steffi von Dir denkt, wenn Du hier liegst und heulst?" Meine Antwort war allerdings weniger nett gemeint, eher verzweifelt: "Ist mir doch völlig egal, was die von mir denkt.". Diesen Abend werde ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen. Mein einziger Wunsch war es ins Kloster zu gehen oder sonst wohin, irgendwohin fernab von allen Frauen dieser Welt, zumindest weit weg von einer Frau deren Name euch mittlerweile geläufig sein sollte.

Dieses Schilager machte alle meine Hoffnungen kaputt, die ich mir je gemacht hatte. Es war grauenhaft. Ich war dermaßen froh als ich wieder daheim war, etwas gutes zu Essen, mein sauberes Klo, mein eigenes trockenes Bett, ein heißes Bad und meinen Fernseher. Bis es soweit war, mußte ich mich allerdings noch vier Tage gedulden. Bis dahin hatte ich noch einige schwierige Situationen zu überstehen. Wofür ich bei einigen Leuten bedanke ist ihre Ehrlichkeit und ihre Verschwiegenheit. Einige waren doch immerhin so nett und gingen zur Steffi um ihr zu erzählen, was der Grund für meine Tränen war. An alle Jenen ein herzliches Dankeschön. Durch sie habe ich gelernt, wem ich vertrauen kann, ihnen konnte ich’s leider nicht. Am darauffolgenden Morgen wachte ich sehr früh auf. Ich malte mir schon aus, wie schön es sein wird, nachher in den Speisesaal zu kommen, wenn einen alle Leute mit einem schadenfrohen Grinsen anschauen. Ich wäre am liebsten in Grund und Boden versunken, aber es blieb mir nichts anderes übrig, so zu tun als wäre nichts. Zu meiner Verwunderung starrte mich niemand komisch an, oder es viel mir nicht auf, was natürlich auch sein kann. Wie jede Früh machte ich mit dem Jörg mein Wurstfrühstück. Ein Frühstück mit Wurst war schon etwas Besonderes, weil wir die einzigen waren, die sich Schinken gekauft hatten. In unserem Luxushotel gab es nämlich kein Wurst sondern nur Butter oder Marmelade,so hatten wir wenigstens eine gute Malzeit am Tag.

Der Donnerstag war ein cooler Tag, soweit ich mich erinnern kann, hatten wir am Nachmittag frei. Wir beschlossen in den Ort zu gehen, um dort eine Pizza zu essen. Wir gingen in das erstbeste Lokal, ließen uns die Karte bringen und waren so schnell wieder verschwunden wie wir gekommen waren. Grund: etwas überteuerte Preise. Wir irrten durch die Stadt auf der Suche nach einem billigen gutem Essen. "Wer suchet, der findet", heißt es. Nun, wir wurden fündig. Ein "Diner" im Vergleich zu dem Fraß, den sie uns in unserer Herberge servierten, aber was das Beste war, saubere Toiletten. Wieder im Steinachhof angekommen, durfte ich noch einmal die Steffi mit ihrem Freund auf der Truhe bewundern, bevor es dann mit dem Spieleabend weiterging. Zufälligerweise kam ich, wie könnte es anders sein, mit der Steffi in das gleiche Team. Natürlich verloren wir haushoch gegen die übrigen Mannschaften. "Ein Verlierer, ich?" nie im Leben. Was mich aber wunderte, war die Tatsache, daß die Stefanie noch mit mir redete. Sie redete mit mir, als wenn sie von nichts wüßte. Ein schwacher Trost, aber immerhin etwas. Am Freitagabend war Schlittenfahren angesagt. Es muß so gegen acht gewesen sein, als wir aufbrachen. Wir wanderten etwa eine Stunde bis wir auf der Alm waren, wo man sich Schlitten ausleihen konnte. Auf dem Hinweg geschah natürlich das Unvermeidliche. Irgend jemand kam auf die erheiternde Idee Schneebälle zu schmeißen. Zu meiner großen Überraschung traf mich niemend, d.h. einer schon, der dafür aber mitten ins Gesicht. Ab diesem Zeitpunkt brannte es in meinem Auge, was sich nicht positiv, auf meine ohnehin schon schlechte Stimmung, auswirkte. Auf der Alm erlaubten uns die Lehrer sogar ein "Radler" zu trinken, oh wie gnädig. Die einzigen die sich in einer Art Dauerrausch befanden waren doch die Lehrer, nicht die Schüler.

Lehrer sind schon ein komisches Volk, ich kann mir dieses Urteil erlauben, denn ich habe ja ständig einen zu Hause. Endlich an der Alm angekommen, setzten wir uns hinein. Ratet wer alleine sitzen durfte! Es war ich. Komisch, gell? Die Situation war folgende: Ich kam als letzter in die Stube und meine Freunde hatten "vergessen", mir einen Platz zu reservieren. Am Tisch der Mädchen waren noch Plätze frei, aber dort wollte ich mich dann doch nicht hinsetzen. Es machte mir fast gar nichts aus, mich an den Nachbartisch zu setzen und jenen mit einem Betrunkenen zu teilen. Dieser fing noch im gleichen Moment an, mich vollzulabern. Rein zufällig erzählte er von den Frauen und der Liebe. Schön nicht war? Ich stimmte ihm fast überall zu. Er fragte mich ob ich Liebeskummer hätte. Ich antwortete mit ja. Wie´s der Kuckuck will sagte er: "Bestimmt wegen einer von diesen feschen Mädchen da drüben" und deutete mit seinem Finger zufällig auf die Steffi. Tolle Situation für mich. Doch auch die schönsten Momente im Leben gehen einmal zu ende, für mich leider ein wenig zu spät, denn wir brachen nach einer geschlagenen Stunde auf. Der Basti hatte das große Los gezogen, denn er fuhr mit "seiner" Judith auf dem Schlitten den Berg hinunter. Ein gewisser Harald Heckl (kennt ihr den vielleicht? Ein komischer Typ sage ich euch. Verliebt sich immer in die, bei denen er absolut keine Chancen hat.) hatte auch das große Los gezogen. Er durfte seinen Schlitten mit den beiden Patricks aus seiner Klasse teilen. Die Schlittenfahrt ansich war echt lustig. Mein Auge hatte zwischenzeitlich aufgehört zu brennen und wir fuhren schneller als der Rest, denn wir saßen ja zu dritt auf einem Schlitten. Wir hatten sogar etwas zufiel Schwung. Wir schafften es gerade noch zu bremsen. Hätten wir das nicht mehr geschafft, wären wir in einen Bach gefallen. Der Rückweg verlief ohne weitere Zwischenfälle, bis auf kleines Mißgeschick mit einem Schneeball, der sich zufällig in mein Gesicht verirrte. Danach war wieder alles beimalten. Meine Laune war schlecht, mein Auge, übrigens das gleiche wie vorher, brannte wie verrückt. Gegen elf Uhr lag ich wieder in meinem nassen Bett, und war traurig wegen meiner verloren Liebe.

Die letzten Tage verliefen genauso, wie man es erwarten durfte, nämlich mit Liebeskummer und Tränen. Die Anke und die Steffi weinten, weil sie von ihren geliebten Österreichern weg mußten, ich hatte Liebeskummer, weil ich nicht an sie rankam und das wohl oder übel einsehen mußte. Der letzte Abend war eigentlich ganz lustig. Ich lernte Mädchen aus unsrer Parallelklasse kennen. Dreimal dürft ihr raten was ich tat. "The same procedure as evry time, Harry?", was soviel bedeutet wie verarschen, lächerlich wirken und den Clown spielen. Auch hier schien ich es wieder zuviel des Guten zu wollen. Ich nahm eine mit Wasser gefüllte Colaflasche aus Plastik, schleuderte sie zu Boden und sie ging nicht einmal kaputt. Wenn ich mir aus heutiger Sicht mein Verhalten von damals näher betrachte, muß ich sagen: "Jetzt weiß ich, warum ich auch in den anderen Klassen bei den Mädchen einen schlechten Ruf zu haben scheine." Ich habe mich einfach idiotisch aufgeführt, denn welcher normale Mensch schleudert schon eine gefüllte Plastikflasche durch die Gegend.

Die Busfahrt zurück nach Ingolstadt war dann der krönende Abschluß einer meiner schlechtesten Wochen die ich je verlebt habe. Wie schon bei der Hinfahrt spielte ich mit meinem Kassettenrecorder Musik vor, aber nicht irgend eine Musik, sondern Kuschel Rock für die jung getrennten Pärchen von heute Morgen. Ich ließ es mir nicht nehmen mich über diese Lieder lustig zu machen. Aus dem Lied "Crying in the rain" wurde "Drying in the rain", denn wer trocknet schon im Regen, oder aus "Another day in paradise" wurde "Adam und Eva im Paradies". Nach einer guten Stunde hatte ich dann mein Pulver verschoßen. Ich setzte mich auf meinen Platz und spielte Gameboy oder laß Bravo. Zuhause fuhr mein Vater dann noch den Basti nach Hause. Im Auto mußte mein Vater ja unbedingt noch fragen wie es mit den Mädels gelaufen sei, als wüßte er was los war. Diese Frage beantwortete der Basti mit einem kurzen: "Die hatten Andere". Er hatte strenggenommen gar keinen Grund zur Besorgnis, denn soweit ich es mitbekommen habe, ist zwischen der Judith und ihm recht gut gelaufen. Sie sind zwar nicht zusammengekommen, aber sie sind sich zumindest näher gekommen. Tja, der Eine hat das gewisse Etwas, der Andere hat´s nicht. Ich hab´s anscheinend nicht. Doch nun mal wieder zu etwas völlig anderem.

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